Überall ES ?!

      Überall ES ?!

      Hallo,

      ich weiß nicht genau, also ein Problem ist es eigentlich nicht. Nur vielleicht meine komische Denk- und Sichtweise? Meine Gedanken?!
      Mir ist aufgefallen, dass, seit ich mit dem Essen so meine Probleme habe, ich zum Einen klar extrem auf das Essverhalten der anderen auch achte und vergleiche, aber auch, dass ich viel schneller vermute, dass jemand eine ES haben könnte. Viel viel aufmerksamer beobachte ich meine Schwester beim Essen, immer, wenn sie plötzlich etwas verweigert, was sie sonst meistens isst, bin ich wie aufgeschreckt. Genauso das Wort Diät oder Fitnessstudio oder Sportprogramm.. alles Wörter, die hervorstechen und meine Aufmerksamkeit erwecken. Wie magisch angezogen achte ich auch bei meinen Freundinnen auf Veränderungen, körperlich oder von Gedanken und Einstellungen zum Essen. Vermute viel viel schneller eine ES und habe auch Angst, dass sie nicht normal Diät machen. Mache mir so viel schneller Sorgen. Ich will nicht, dass sie in etwas reinrutschen. Dass es ihnen schlecht geht.

      Ich weiß nicht, ist das naja normal, dass man plötzlich so sensibilisiert ist? Kennt das wer? Kann man da was machen?

      Liebe Grüße und danke fürs lesen,
      alwalo
      Urlaub ist die Zeit
      in der die Seele Luft holt
      und den Problemen
      einen frischen Wind verpasst
      Hallo alwalo,

      also mir geht es wirklich ganz genauso! Und ich finde es auch mega anstrengend, weil ich aus diesen Gedanken kaum mehr rauskomme und wirklich alles und jeden unter den Gesichtspunkten, Figur, Essen & Co wahrnehme...
      Ich versuche dann immer, meine Gedanken/Wahrnehmung in eine andere Richtung zu lenken. Also wenn jemand an mit vorbeiläuft nicht auf die Figur zu achten, sondern auf andere schöne Sachen, z.B Frisur, Handtasche usw... meistens findet man da eine ganze Menge, wenn man mal anfängt!

      Um ein bisschen Abstand von Wörten wie Fitnessstudio und Diät usw zu gewinnen, habe ich alle Zeitschriften mit diesen Inhalten (Mode, Sport usw.) rausgeschmissen und schaue mir auch keine Senudngen wie Germany's Next Topmodel oder so mehr an... einfach um wieder in die "reale" Welt und nicht in diese, in der nur nach dem Äußeren geurteilt wird, zu kommen.

      Nachdem ich zwei Freundinnen auf ES angesprochen habe und wirklich falsch lag, hab ich gemerkt, dass mein Denken fast ein bisschen egoistisch ist (weiß nicht ob das jetzt das richtige Wort ist...) Nur weil ich mich den ganzen Tag mit Essen beschäftige, macht das noch lang nicht jeder und es ist meine Sicht und nicht ihre. Man muss sich auch klar machen, dass man einfach eine gestörte Wahrnehmung hat in diesen Dingen, das ist nicht normal.

      Ich hoffe ich konnte dir vielleicht ein bisschen helfen... es ist nicht leicht, aber wenn man sich immerhin schonmal klar macht, dass die Denkweisen in die falsche Richtung gehen ist schon viel gewonnen, dann kann man daran arbeiten.

      Alles Gute :)
      FlyingAngel


      You're sick of feeling numb
      You're not the only one
      I'll take you by the hand
      And I'll show you a world that you can understand


      (Three Days Grace - Pain)
      Hey du,
      ich glaube schon, dass das was du beschreibst relativ normal ist.
      Du kennst es doch sicherlich ähnlich bei den Autos. Stell dir vor du kaufst jetzt irgendein Auto und plötzlich begegnet dir scheinbar nur noch dieses Auto. Aber verändert hat sich eigentlich nichts, nur dass dein Filter im Kopf das halt herausfiltert.
      Stell dir ein Teil deines Gehirnes mal wie ein Filter vor, dieser Teil filtert alles was dich selbst irgendwie bewegt heraus und so kommt es dir vor als wäre es plötzlich überall.
      Ein Schuhverkäufer achtet zum Beispiel am meißten auf die Schuhe anderer Menschen, Frisöre auf die Haare und Frisuren.
      Ich vermute auch ständig SVV bei irgendwelchen Menschen, nur weil die bei wärmeren Wetter langärmlig rumlaufen, oder das Handgelenk verbunden ist.
      Aber du kannst dir bewusst vornehmen Menschen beim Essen nicht zu beobachten, das vermag bestimmt Übung, aber ich glaube das es mit genug Willen funktionieren könnte.

      So, ich hoffe ich konnte dir jetzt helfen.
      liebe grüße
      die vielleicht.
      Hey,


      zuerst einmal kann ich mich meinen Vorrednern nur anschließen! Ich kenne das auch von mir, dass ich ganz stark auf diese Themen fokussiert und quasi konditioniert bin. Das ist halt Teil der Krankheit..

      Ich würde noch gerne etwas aus einer theoretisch*r*n Sicht beitragen. Vor kurzem habe ich eine Hausarbeit für ein Soziologiemodul über Zygmunt Baumans Begriff der "consumer society" geschrieben. Das ganze hier auszuführen wäre zu kompliziert, aber kurz gefasst beschreibt Bauman, dass Fitness, schlank sein, Bio, Diät etc. logische Schlussfolgerungen unseres Zeitalters sind. Vor 50 Jahren war der Modebegriff noch "Gesundheit", alle wollten gesund sein, gesund leben. Heute hat sich das abgewandelt in "Fitness". Die Gesellschaft muss etwas kompensieren, um auf ihr Leben als individuelle "consumer" klarzukommen, und so werden nun also Diäten und Fitness gehypt. dünn gleich gesund. Natürlich ist das Quatsch, aber so wird das von allen Seiten suggeriert. Das schlimme ist, dass das Ganze in einen Kreislauf ausartet und man niemals absolute Fitness, das eigentliche Ziel, erreichen kann. Dadurch kommt es zu Esstörungen, die _das_ Charakteristikum der Neuzeit sind und symbolisch für das kranke System der "consumer society" stehen.

      Ich hoffe, ich komme jetzt nicht zu nerdy daher. Aber mir kam total das aha-erlebnis, als ich mich mit diesem Thema auf so theoretische Weise und aus soziologischer Sicht beschäftigt habe. Ich konnte mich plötzlich von meinen eigenen Problemen sehr distanzieren und dachte mir "so ist das also. ja, das ergibt sinn". was ich damit aussagen will ist dass es völlig "normal" ist, sich in unserer Gesellschaft ständig um diese Themen zu drehen. Aber nur weil heutzutage alle Diäten zu machen scheinen oder ins Fitnessstudio gehen heißt das noch lange nicht, dass auch alle eine ES haben. Das ist ein Hype, der vielleicht auch bald wieder vorbei geht.Natürlich ist es anstrengend, wenn man eine Essstörung hat, dass sich alle Welt um diese Themen zu drehen scheint, aber ich denke, man muss sich einfach bewusst machen, dass das ein Lebensstil der Gesellschaft ist. Es ist schwierig und leichter gesagt als getan, aber im Grunde muss man einfach versuchen, solche Gedanken zu unterdrücken und nicht zu sehr darauf zu achten und darüber nachzudenken, ob der oder die ein Problem hat.

      Ich weiß jetzt nicht, ob ich dir helfen konnte, aber mir war es einfach wichtig dich auch wissen zu lassen, dass es auch anderen so geht wie dir und diese Wahrnehmung somit normal zu sein scheint, wenn man dieses Krankheitsbild hat.

      Alles Liebe
      Out, out, brief candle! / Life's but a walking shadow, a poor player / That struts and frets his hour upon the stage / And then is heard no more: it is a tale / Told by an idiot, full of sound and fury, / Signifying nothing.
      (aus: Macbeth von Shakespeare)
      Hallo,

      und danke für die sehr schnellen Antworten.
      Nun so derart achte ich nicht darauf, wenn ich zum Beispiel durch die Fußgängerzone spaziere, höchstes wenn ich quasi in jemanden reinrenne. Sonst beobachte und bewerte (?) ich nicht so nach den äußeren Kriterien, die mir sonst ins Auge fallen. Sondern wirklich meist nur beim Essen oder wenn ich den halben, ganzen Tag mit jemanden verbringe.
      Die Zeitschriften findet man bei mir eh nicht, nur ob ich GNTM jetzt aufhören würde, weiß ich nicht.

      FlyingAngel schrieb:

      [...] dass mein Denken fast ein bisschen egoistisch ist [...]
      Nur weil ich mich den ganzen Tag mit Essen beschäftige, macht das noch lang nicht jeder und es ist meine Sicht und nicht ihre.
      In diese Richtung habe ich noch gar nicht überlegt.. aber es stimmt, ich habe auch schon eine Freundin auf ES angesprochen und lag ebenfalls total falsch. Nur weil immer so oft in meinen Augen das Gespräch sich in die Richtung entwickelt hat, habe ich schneller diese Möglichkeit in Betracht gezogen. Nur du hast bestimmt recht, es beschäftigt sie wahrscheinlich nicht annähernd so sehr wie mich rund um die Uhr. Danke.
      Ok, ich mag eigentlich jetzt nicht abwägen zwischen normal und nicht normal. Ich denke, auch die Theorie über das Herausfiltern des Gehirns wird wirklich ziemlich zutreffen.

      einsamerStern schrieb:

      Natürlich ist es anstrengend, wenn man eine Essstörung hat, dass sich alle Welt um diese Themen zu drehen scheint, aber ich denke, man muss sich einfach bewusst machen, dass das ein Lebensstil der Gesellschaft ist.
      Also versuche ich nun das mal als Tatsache anzunehmen. Es stimmt, meine Mutter setzt auch immer noch Gesundheit oft gleich mit Dünn sein, wobei gerade sie das schon anders auch weiß.

      vielleicht schrieb:

      Aber du kannst dir bewusst vornehmen Menschen beim Essen nicht zu beobachten, das vermag bestimmt Übung, aber ich glaube das es mit genug Willen funktionieren könnte.
      Ich denke, das wird mit das Schwerste sein, weil ich viel zu sehr darauf achte, wenn ich in Gesellschaft esse, was auch die anderen essen, wie schnell, wie viel und vorallem wie.. Gerade auch bei meinen wirklichen engen Freunden, wo ich mir nochmal mehr Sorgen mache, dass sie ein Problem haben könnten oder etwas entwickeln.

      Danke und liebe Grüße,
      alwalo
      Urlaub ist die Zeit
      in der die Seele Luft holt
      und den Problemen
      einen frischen Wind verpasst
      hallo alwalo,

      ich versuche mal, meine sichtweise von außen (als nicht-magersüchtige) mit einzubringen.

      es ist tatsächlich so, dass man, wenn ein teil des lebens durch ein bestimmtes thema bestimmt wird, themenbezogene sachen häufiger wahrnimmt. das hat sogar einen fachbegriff und nennt sich "selektive wahrnehmung". das ist also ganz normal.

      für den umgang im alltag finde ich es schwierig, wenn es so weite kreise zieht. wenn du alles in diese richtung interpretierst. vielleicht kannst du da mit deinem kopf gegensteuern?
      also, klar ist die alarmglocke beim stichwort "diät" schnell am läuten. kannst du da denn differenzierter rangehen? natürlich ist es nicht gut, wenn ein dünnes mädchen diät macht. aber wenn eine übergewichtige person diät macht, ist es ja erstmal ein schritt richtung gesundheit und nicht in die krankheit.
      dasselbe mit fitnessstudio und sportprogramm. das sind für mich persönlich gesunde sachen. menschen, die nicht gut auf ihren körper achtgeben und nicht genug essen, können ein fitnessprogramm eh nicht lange durchhalten. bei den anderen menschen, die dorthin gehen, stärkt es vor allem ein gesundes körperbewusstsein, weil man sein eigenes funktionieren viel besser kennenlernt und wahrnimmt.
      den besuch ins fitty als "gesellschaftshype" darzustellen, finde ich einen unzutreffenden ansatz. früher haben die menschen sich häufiger draußen bewegt, in der landwirtschaft gearbeitet und so weiter. der körper ist auf bewegung ausgelegt. wenn man das nicht machen kann, durch einen bürojob oder ähnliches, braucht der körper einen ausgleich. es ist gesund, wenn man vom körper die signale bekommt. und wer sich nicht genug bewegt, wird krank. entweder dick oder kurzatmig oder rückenprobleme oder alles zusammen.

      so ähnlich läuft es auch, denke ich, wenn du leute beim essen beobachtest. vielleicht kannst du dir klarmachen, dass das nur ein miniteil ist, den du von ihrem gesamten essverhalten mitbekommst. es gibt tage, da hat man weniger hunger, es gibt tage, da hat man mehr hunger. es gibt tage, da vergisst man das essen einfach, es gibt tage, da isst man durchgehend, etc.. deine interpretationen beziehen sich also auf momentaufnahmen und sind nicht allgemeingültig.

      zum schluss noch ein etwas provokanter ansatz: ich habe mal mit einer magersüchtigen freundin und einer gesunden freundin zusammengewohnt. die magersüchtige (ich nenne sie jetzt einfach mal so) hat uns auch die ganze zeit beim essen beobachtet, und ihr eigenes essverhalten kommentiert. und DAS waren die momente, in denen die gesunde freundin und ich erst selber unser essverhalten beobachtet haben, eben weil wir durch ihre argusaugen ein stück weit verunsichert wurden. die gesunde freundin hat dann irgendwann "jetzt erst recht" gegessen. und das ist ja auch nicht gut.
      daher, aus meiner erfahrung im umgang mit essgestörten: ich denke, du hilfst deinen freunden am meisten, wenn du so wenig die möglich darauf achtest. wenn sie ihr unbesorgtes, automatisches essen beibehalten können. wenn sie essen können, wann und wie sie hunger haben, ist das ja perfekt. so sollte es ja sein.
      wenn du dir sorgen machst, wäre es ja eine möglichkeit, das essverhalten erstmal unkommentiert und unauffällig zu beobachten, für - keine ahnung - zwei, drei wochen, und wenn es wirklich auffällig ist, dann ansprechen. also, zusammengefasst: nicht zu früh.
      es sind deine freunde, um die du dir sorgen machst. vertrau darauf, dass sie sagen, wenn was nicht stimmt. und eine essstörung entsteht ja nicht aus dem nichts. also werden auch andere sachen bei ihnen wohl schief laufen, sollten sie krank sein/werden. wäre das eine möglichkeit, mehr darauf zu achten und das dann anzusprechen, anstatt das ess-symptom als kriterium zu nehmen?


      also zusammengefasst, von mir ein freundliches "entspann dich". eine selektive wahrnehmung ist normal. aber sie gaukelt dir falsche verhältnisse vor. glaub nicht alles was du denkst ;-).

      liebe grüße,
      xibalba