Die Probleme sind weg, aber die Angst bleibt

      Die Probleme sind weg, aber die Angst bleibt

      Hallo,

      ich hab vor einigen Monaten ziemliche Probleme in meiner Wohnung gehabt (hier beschrieben). Jetzt bin ich umgezogen, in einen anderen Ort (zwar nicht weit weg, da ich im Ort meiner alten Wohnung studiere).

      Hier ist abgesehen vom Pendeln alles besser: Ich versteh mich gut mit meinem Mitbewohner, das Putzen läuft problemlos, die Wohnung bleibt fast wie von alleine recht sauber und ordentlich (meistens) und sie ist eh größer und toller (nicht so hellhörig z.B.), die Klingel klingt nicht so schreklich wie in der alten Wohnung und ich habe noch nicht eine Beschwerde von irgendwem wegen irgendwas (weder über mich noch über meinen Mitbewohner) gehört. Die Vermieterin wohnt direkt unter uns und mein Mitbewohner hört seine Musik ab und zu mal lauter, was sie aber wirklich nicht stört. Und sie will ihn anscheinend sogar unbedingt in der Wohnung behalten, ihm wurde Mietminderung angeboten, bis er nen Mitbewohner gefunden hat. Also voll das Gegenteil vom Vermieter davor und toll.

      Aaaaber....

      Ich fang immernoch an zu zittern, wenn ich die Klingel höre. Die Klingel bei meinem (neuen) Freund klingt ähnlich, wie die in meiner alten Wohnung, bei der zucke ich auch jedes mal zusammen..
      Ich würde immer am liebsten so tun, als sei ich nicht da.
      Ich versuche immernoch, mich durch das Treppenhaus zu schleichen, ich will nicht, dass jemand mitbekommt, dass ich gerade ankomme oder gehe, wahrscheinlich weil ich die Befürchtung habe, irgendwem zu begegnen. Wahrscheinlich habe ich Angst, dass - wie in der alten Wohnung - irgendeine Beschwerde kommt. Was ja eigentlich nicht wirklich passieren kann. Oder selbst wenn, die Art, wie sie vorgetragen würde, wäre sicherlich eine weitaus weniger schlimme. Das weiß ich eigentlich alles, doch mein Verstand ist gegen diese Angst irgendwie ziemlich machtlos.
      Vorallem wenn ich alleine zu hause bin achte ich auf jedes noch so kleine Geräusch. Ich kann die Musik nicht sehr laut drehen - ich könnte ja sonst etwas überhören. Sobald ich etwas höre (Türen, Schritte..), muss ich die Musik abstellen und ganz genau lauschen. Und hoffen, dass die Schritte nicht an meine Wohnungstür wollen.

      Außerdem wird es momentan wieder schlimmer und dehnt sich auf andere Bereiche als die Wohnung und die meines Freundes aus. Ich fühle mich unter Menschen im allgemeinen wieder unwohler, habe das Gefühl, auf der Straße würden mich alle komisch anschauen (dabei habe ich meine "komischen" Klamotten, bei welchen ich das verstehen würde, gar nicht an) und versuche mich in (mehr oder weniger) kleinen Gruppen (z.B. bei in letzter Zeit oft stattfindenden Grillfeiern) oft wieder selber auszugrenzen.
      Ich hab das Gefühl, alle schauen mich an um irgendwas an mir zu finden, was sie mir vorwerfen können...

      Bestimmt legt sich das mit der Zeit, ich wohne ja erst seit zwei Monaten hier, aber es ist verdammt lästig. Ich kann mich doch nicht immer verstecken wollen. Nur leider weiß ich nicht, wie ich diese Übervorsichtigkeit und Angst wenigstens ein bisschen loswerden kann. Ich will nicht mehr in beinahe Panik geraten, nur weil es an der Tür klingelt oder ich Schritte oder Türen in der Wohnung unter mir höre...

      Hat vielleicht jemand eine Idee, wie ich damit umgehen kann? Außer "weitermachen wie bisher" fällt mir leider nichts ein und damit will ich mich irgendwie nicht abfinden.
      Außerdem könnte selbst das demnächst schwierig werden, da mich wieder dieses komische, aber irgendwie faszinierende Gefühl packt, welches mich bald in die Dunkelheit ziehen will.

      LG,
      Blubb
      Hallo Blubb,

      erst mal klingt es ja mit deiner neuen Wohnung wirklich 1000 mal besser als das, was vorher war. Und dazu möchte ich dich einfach beglückwünschen, dass du diesen Schritt gemacht hast. Ich verstehe zwar, dass die Schlüsselsignale deine Ängste auslösen können, aber ich verstehe nicht genau, wovor du jetzt konkret Angst hast.

      Gegen den Klingelton könntest du etwas tun, indem du deinen Freund bittest, eine andere Klingel mit einem für dich harmonischen Ton anzubauen. Wenn dann jemand zu dir möchte um dich zu besuchen, so ist dessen Anmeldung mit einem angenehmen Ton verbunden. Das wäre mein erster Schritt, wenn auch nur ein ganz kleiner.

      Bleibt für mich die Frage, wovor hat die die Übervorsichtigkeit geschützt? Denn Angst und Vorsichtigkeit sind ja erst mal wichtige Funktionen unserer Körpers, die in manchen Situationen sehr wichtig sind. Nur wenn sie überhand nehmen und sich in unser sonstiges Leben einmischen, werden sie störend. Wenn du in therapeutischer Behandlung bist, vielleicht könntest du gemeinsam mit dem Therapeuten schauen, was es genau ist, was deine Angst für dich tun will. Und dann die Frage an die Angst, unter welchen Bedingungen sie
      weniger würde. Nennt sich „Verhandlungsreframing“. Das Gleiche gilt für die Vorsichtigkeit.

      Oder du könntest dir einen kleinen Talisman suchen, den du mit all deinen positiven Wünschen und Vorstellungen belegst. Und wenn du dann spürst, dass die Übervorsichtigkeit in dir sich melden will, dass du dann bewußt deinen kleinen Talisman oder Schutzengel nimmst und dich damit an alle positiven Wünsche etc. erinnerst. Vielleicht könntest du dir auch ein
      kleines Stofftier kaufen, das für dich Kraft, Mut und Zuversicht symbolisiert. Das nimmst du dann in die Hand, wenn du Stärke etc. gebrauchen könntest. Das könntest du auch unter Leuten machen, denn viele spielen mit ihrem Handy oder Schlüsselanhänger oder so rum, und keiner fragt, warum. ;)

      Manche drehen ja auch in ihren Haaren, weil es ihnen vielleicht in einer bestimmten Situation ein gutes Gefühl gibt. Hab ich jedenfalls bei eine Freundin beobachtet. ;)

      Könntest du dir denn z.B. einen größeren Hund anschaffen, der dann wirklich eine Schutzfunktion für dich übernimmt? Setzt natürlich die Möglichkeiten (Zustimmung des Vermieters), Zeit für das Tier, finanzielle Möglichkeiten voraus. Und du hättest „Jemand“, der bei dir ist. Nur beim Grillen könnte es schwierig werden, wenn er auch ne Wurst haben will. :D

      Was ist es aber, weshalb du dich in kleinen Gruppen ausgrenzen willst oder zumindest das Gefühl bei dir entsteht? Tritt das Gefühl denn auch in größeren anonymen Gruppen auf, wo dich kaum einer oder vielleicht wirklich gar keiner kennt? Das habe ich einfach nicht verstanden, deshalb fällt mir dazu auch nichts ein.

      Wünsch dir viel Kraft und Zuversicht
      lg Elfenspiegel
      Hallo Elfenspiegel,

      danke für die Antwort. :)

      Elfenspiegel schrieb:

      Ich verstehe zwar, dass die Schlüsselsignale deine Ängste auslösen können, aber ich verstehe nicht genau, wovor du jetzt konkret Angst hast.
      Das versteh ich selber nicht genau. Ich denke, ich habe Angst davor, dass ich irgendwas falsch gemacht haben könnte (ohne es zu merken) und ich deshalb Stress mit der Vermieterin bekomme. Es kommt häufiger vor, dass ich nicht merke, wenn ich irgendwas saublödes sage oder mache, deshalb bin ich mir wahrscheinlich nie 100% sicher, ob ich mich gut oder schlecht Verhalten habe.

      Elfenspiegel schrieb:

      Gegen den Klingelton könntest du etwas tun, indem du deinen Freund bittest, eine andere Klingel mit einem für dich harmonischen Ton anzubauen. Wenn dann jemand zu dir möchte um dich zu besuchen, so ist dessen Anmeldung mit einem angenehmen Ton verbunden. Das wäre mein erster Schritt, wenn auch nur ein ganz kleiner.
      Da habe ich das Gefühl, dass ich mich wieder zu sehr in seine WG einmische, denn wenn es in seiner WG klingelt, ist das ja eh nicht für mich. Bevor ich in meine neue Wohnung gezogen bin, habe ich knappe 2 Monate dort gelebt, weil es in meiner ex-WG nicht mehr aushaltbar war. Die Mitbewohner von meinem Freund hatten kaum die Gelegenheit zu protestieren, da war mein ganzes Zeug schon in seinem Zimmer. Ich hab über ein paar Ecken gehört, dass die eigentlich ziemlich genervt davon waren, dass ich 24/7 bei denen rumhing... Jetzt, wo ich meine eigene Wohnung habe, ist die Atmosphäre (auch zwischen meinem Freund und den Mitbewohnern) wieder entspannter. Aber trotzdem wäre es mir unangenehm, jetzt mit sowas anzukommen, wo ich doch nichtmal dort wohne... Da muss ich also durch.

      Elfenspiegel schrieb:

      Bleibt für mich die Frage, wovor hat die die Übervorsichtigkeit geschützt? Denn Angst und Vorsichtigkeit sind ja erst mal wichtige Funktionen unserer Körpers, die in manchen Situationen sehr wichtig sind. Nur wenn sie überhand nehmen und sich in unser sonstiges Leben einmischen, werden sie störend. Wenn du in therapeutischer Behandlung bist, vielleicht könntest du gemeinsam mit dem Therapeuten schauen, was es genau ist, was deine Angst für dich tun will. Und dann die Frage an die Angst, unter welchen Bedingungen sie
      weniger würde. Nennt sich „Verhandlungsreframing“. Das Gleiche gilt für die Vorsichtigkeit.
      Die Übervorsichtigkeit hat mich vor Gesprächen mit dem Vermieter oder der Nachbarin geschützt. Ich habe halt immer vorher geschaut, ob der Vermieter in Sichtweite ist, bevor ich in die Straße eingebogen bin z.B... Oder im Treppenhaus gelauscht, ob die Nachbarin auch grad darin rumläuft, um dann zu warten, bis sie weg ist. War in der Wohnung vielleicht nicht ganz verkehrt, aber in meiner neuen Wohnung habe ich ja keinen Grund dazu, aber ich kanns nicht abstellen...
      In therapeutischer Behandlung bin ich nicht. Aber vielleicht bekommen mein Freund und ich das zusammen auch raus.

      Elfenspiegel schrieb:

      Oder du könntest dir einen kleinen Talisman suchen, den du mit all deinen positiven Wünschen und Vorstellungen belegst. Und wenn du dann spürst, dass die Übervorsichtigkeit in dir sich melden will, dass du dann bewußt deinen kleinen Talisman oder Schutzengel nimmst und dich damit an alle positiven Wünsche etc. erinnerst. Vielleicht könntest du dir auch ein
      kleines Stofftier kaufen, das für dich Kraft, Mut und Zuversicht symbolisiert. Das nimmst du dann in die Hand, wenn du Stärke etc. gebrauchen könntest. Das könntest du auch unter Leuten machen, denn viele spielen mit ihrem Handy oder Schlüsselanhänger oder so rum, und keiner fragt, warum. ;)
      Hm sowas funktioniert bei mir leider nie gut..

      Elfenspiegel schrieb:

      Könntest du dir denn z.B. einen größeren Hund anschaffen, der dann wirklich eine Schutzfunktion für dich übernimmt? Setzt natürlich die Möglichkeiten (Zustimmung des Vermieters), Zeit für das Tier, finanzielle Möglichkeiten voraus. Und du hättest „Jemand“, der bei dir ist. Nur beim Grillen könnte es schwierig werden, wenn er auch ne Wurst haben will. :D
      Die Nachbarn haben Hunde, wir haben Katzen.. ^^ Und mein Freund ist eh sehr oft bei mir, also hat er die Schutzfunktion. Gut, ich hab die Probleme ja vorallem wenn ich alleine bin.. :/ Aber Hund und Katze passt irgendwie nicht so..

      Elfenspiegel schrieb:

      Was ist es aber, weshalb du dich in kleinen Gruppen ausgrenzen willst oder zumindest das Gefühl bei dir entsteht? Tritt das Gefühl denn auch in größeren anonymen Gruppen auf, wo dich kaum einer oder vielleicht wirklich gar keiner kennt? Das habe ich einfach nicht verstanden, deshalb fällt mir dazu auch nichts ein.
      Ich weiß das alles selber nicht genau. Ich merke bloß, dass ich allen Menschen (außer meinem Freund und meinem Mitbewohner) am liebsten aus dem Weg gehen würde und mit keinem mehr reden will. Ursprünglich wollte ich ja nur dem Vermieter und der Nachbarin aus dem Weg gehen, jetzt eben fast allen Menschen. Unabhängig von der Gruppengröße und ob ich die Leute kenne. Wenn ich die Leute nicht kenne und mich in einer größeren Gruppe befinde, ist das meistens leichter als auf einer Grillfeier mit Freunden.

      Wenigstens eine Sache ist sehr schnell weggegangen: Das unwohle Gefühl, wenn mein Mitbewohner da ist. Zum Glück habe ich schnell gemerkt, dass ich mit dem gut klar komme und ich mich auch gut mit ihm unterhalten kann, das war bei meiner ex-WG ja auch ganz anders.

      Jedenfalls geht es mir heute schon besser und das komische Gefühl, was ich ganz zum Schluss erwähnt habe ist auch wieder weg. Ich war gestern abend auf einer Grillfeier mit meinem Freund und habe versucht, mich zusammenzureißen. Ich hatte meine ausgrenz-Momente, das waren aber nur wenige und lange gedauert haben sie auch nicht.
      Wahrscheinlich muss ich wirklich einfach nur ein bisschen warten und mich an die neue, freundliche Umgebung gewöhnen. Ich werde nochmal mit meinem Freund reden, vielleicht bringt es neue Erkenntnisse.

      LG,
      Blubb
      Ich habe eine Lösung für mein Problem gefunden :)
      Wenn es klingelt, kann ich in die Küche gehen und aus dem Fenster schauen, von dort sehe ich, wer geklingelt hat. Das gibt mir Sicherheit, weil ich entscheiden kann, wen ich reinlassen will und wen nicht. Ich habe heute schon bemerkt, dass es besser wird, wenn ich vorher aus dem Fenster schaue. Wenn ich keinen Besuch erwarte und die Menschen, die draußen stehen, nicht kenne, mach ich halt nicht auf.
      Das bei meinem Freund ist nicht so schlimm wie es hier und in der alten Wohnung war, da versuche ich mich einfach dran zu gewöhnen.

      Dagegen, dass ich mich in Gruppen ausgrenzen will, kann ich wohl nicht viel tun, weil dies immer sehr stark von meiner Stimmung, dem Tag, der Gruppe und diversen anderen Faktoren abhängt. Jetzt, wo das ganze wieder rum ist, sehe ich das ganze viel mehr als tage- bis wochenlange Phasen, die irgendwann beginnen, meine Laune im Allgemeinen wird schlechter, meine Motivation (vorallem für Unizeug) schwindet und mein Wunsch, außer meinem Freund keine Menschen in meiner Nähe zu haben, wird stärker. Und kurz bis ein paar Tage nach dem Tiefpunkt gehts mir dann wieder gut.
      Dieses Geschwanke geht schon eine Weile so, mal merke ich das stärker, mal weniger, mal wird es von anderem Stress (z.B. dem in der letzten Wohnung) überlagert.. Oder so... Und mal habe ich Monatelang Ruhe davor.
      Hallo Blubb,
      freut mich, dass du wenigstens für einen kleinen Teil eine praktikable Lösung "Fenstergucken" für dich gefunden hast.

      Vielleicht gibt's ja für das "Geschwanke" auch noch ein paar Ansätze, die es dir ermöglichen, die Dinge besser für dich zu steuern und zu ertragen. Nur ich hab im Moment keine weiteren Ideen.

      drück dir aber beide Däumchen, dass die Schawankungen nicht zu doll nach unten sind.
      lg Elfenspiegel