Der eine oder andere Gedanke von Nevi

      Der eine oder andere Gedanke von Nevi

      Hi,

      ich bin Nevi, 24 Jahre alt. Ich bin hier schon seit längerem immer mal wieder eine stille Mitleserin. Aber im Moment kreisen ein paar
      Gedanken in meinem Kopf herum, die mir schlaflose Nächte bereiten, und da ich nicht weiß wohin damit, habe ich mich entschlossen ein
      paar davon aufzuschreiben und mit euch zu teilen. Vielleicht mag anschließend jemand seine eigenen Gedanken dazu mit mir teilen.

      Ich bin ein Wokaholic, mein Leben dreht sich um meine Arbeit. Pro Woche arbeite ich ca. 40-50 Std. und wenn ich nach hause komme,
      bin ich völlig ko. Das geht inzwischen schon ein paar Jahre so. Aber es gab eine Zeit, da hat mich dieser Job wirklich erfüllt.
      Jetzt habe ich manchmal das Gefühl, dass er mich erdrückt. Ich arbeite in einem kleinen Betrieb und bin die jüngste dort. Aber im
      Moment verbringe ich einen großteil meiner Zeit damit neue Kollegen einzuarbeiten. Und obwohl die Herrschaften dem Rang nach
      über mir stehen und teilweise doppelt so alt sind wie ich, fühle ich mich doch für sie verantwortlich. Ich erkläre alles, beantworte Fragen und räume hinter ihnen auf, wenn mal wieder etwas nicht richtig geklappt hat. Dabei bleiben meine eigentlichen Aufgaben größtenteils liegen. In meinem Job darf man keine Fehler machen. Ich bin verantwortlich dafür, dass den Menschen die zu mir kommen geholfen wird. Ich bin im Moment dafür verantwortlich das alles reibungslos funktioniert. Ich bin für meine eigenen Aufgaben verantwortlich und ich fühle mich für einen ganzen Haufen anderer Dinge zuständig und verantwortlich. Das Problem ist, dass ich meine Arbeit und die Probleme mit nach hause nehme, dass sie mir den Schlaf rauben und dass sie mich selbst dann verfolgen, wenn ich eigentlich frei habe. Und ich habe Angst. Angst zu versagen, andere zu enttäuschen, Angst davor Fehler zu machen. Und ich spüre selbst, dass ich kurz davor bin unter dem Druck zusammenzubrechen.

      Ich muss etwas ändern, denn ich mag mein Leben so wie es ist nicht mehr. Ich habe kein Ziel mehr auf das ich hiN*rb*ite kann. Und
      manchmal, in dunklen Nächten, weiß ich nicht mehr wer ich eigentlich bin und wer ich sein möchte. Dann fühle ich mich, als
      wär ich betrunken obwohl ich nichts getrunken habe. Das einzige, was mir hilft mich auf das jetzt und hier zu fokusieren ist der
      Schm*rz. Ich weiß, dass es nichts ändert und am nächsten Tag hasse ich mich selbst dafür. Ich will etwas ändern! Aber ich weiß nicht,
      wie und wo ich anfagen soll!

      Am liebsten würde ich kündigen, mir einfach einen neuen Job suchen, einen bei dem ich die Verantwortung mit mehreren Leuten
      teilen kann. Einen bei dem ich nach der Arbeit nach hause gehen kann und ein Leben außerhalb meines Jobs habe. Das klingt jetzt so
      einfach, aber es gibt auf der anderen Seite mehrere Dinge, die dagegen sprechen. Ich kann meine Kollegen nicht einfach so im Stich lassen. Jemand hat mich das sogar versprechen lassen. Allerdings war diese Person meine größte Bezugsperson, jemand der ich mich anvertrauen konnte, und die wusste, dass ich nicht so stark bin, wie ich es gern wäre. Sie ist gegangen, hat mir ihre Verantwortung überlassen, hat mich allein gelassen... und ich kann es ihr noch nicht einmal übel nehmen. Sie hat an sich gedacht und
      richtig gehandelt! Der zweite Grund ist die Angst vor der Arbeitslosigkeit. Ich weiß, das klingt jetzt banal, aber ich kann einfach nicht ohne Arbeit. Wenn ich keine Aufgabe habe, dann fühle ich mich nutzlos, überflüssig und irgendwie verloren. Dann kommen die Selbstzweifel aus ihren Ecken gekrochen. Länger als maximal ein bis zwei Wochen ohne Job und ich wäre am Boden!

      Alle sagen mir immer wieder, dass ich mehr an mich selbst denken muss. Aber die wenigsten können mich wirklich verstehen!

      In meiner letzten Phase des Zweifelns, vor ca. 8 Jahren, hatte ich jemanden an meiner Seite, jemanden den ich nachts anrufen konnte,
      der auf mich aufgepasst hat, wenn ich es selbst nicht mehr konnte. Dieser jemand ist gegangen. Und ich vermisse ihn so sehr!

      Irgendwann vor ein paar Jahren habe ich einen Schutz um mich herum aufgabaut und mich vor Enttäuschungen und v*rl*tzungen zu schützen. Allerdings wirkt der Schutzwall im Moment auch anders herum und erlaubt mir nicht mich jemandem zu öffnen.

      Ich rechne nicht wirklich damit hier Antworten zu finden. Aber ich hoffe darauf, dass es vielleicht doch jemand liest, der mich verstehen kann!

      Danke fürs Lesen und noch einen schönen Dienstag euch allen!
      Life is not about waiting for the storm to pass,
      it's about learning how to dance in the rain.
      Hallo Nevi,

      ich kenne dein Gefühlsdurcheinander sehr gut. Mich hat der Job auch oft nach Feierabend noch in Atem gehalten Gedanklich. Deshalb ist es wichtig das du lernst, Beruf ist Beruf und Privat ist Privat. Ganz wichtig sind Techniken die dir helfen, das du Feierabend Feriabend sein lassen kannst.

      Ich hab durch meine Kinder und Hunde genug ablenkung. Aber bei Vollzeitarbeit ist ein Haustier nicht wirklich Artgerecht zu halten.

      Hast du mal versuche beim Sport deine Gedanken zu vergessen? Oder was mir mein Arzt riet als Technik, damit ich besser schlafen kann, das ich neben dem Bett ein Notizbuch habe, in das ich alles eintrage, was meinen Kopf beschäftigt zum loslassen. Ich habe dafür 2 Bücher. Ein Tagebuch in das nur die schönen Erlebnisse eingetragen werden dürfen und eines wo ich alles was mich beschäftigt eintrage. Das niederschreiben hilft mir sehr. Und wenn die Gefühle zu heftig werden und sich nicht abstellen lassen, male ich oder mache andere handwerkliche Dinge, beim malen ist das schöne das man seine Gefühle einfach frei laufen lassen kann. Da muss kein Bild rauskommen, es hilft einfach mit farben die Stimmung auszudrücken und so loszulassen. Wenn ich Handwerklich arbeite, dann ist es so das alle Gedanken ruhen, weil ich dann voll und ganz auf meine Hände konzentriert bin. Mein Therapeut meinte ich solle damit auch unbedingt weiter machen, selbst dann wenn eigendlich der Haushalt ruft, aus dem Grund weil es mir hilft mit überforderungen zurecht zu kommen.

      Wenn du aus dem Betrieb raus möchstest, musst du ja nicht gleich Kündigen, du kannst dir erstmal eine neue Arbeit suchen, ist auch das Vernünftigere, statt direkt zu kündigen.

      Ich weiß nicht in welchem Bereich du arbeitest, deshalb ist es schwer etwas für die Arbeit zu raten, außer das du lernen msust Verantwortung loszulassen. Deine Kollegen haben natürlich wenn sie neu kommen ein wenig schonfrist, aber irgendwann müssen sie auf eigenen Beinen stehen, dafür werden sie schließich bezahlt wie du auch. Lass ihre Fehler bei ihnen und mach deine Arbeit. Du wirst für deine Arbeit bezahlt nicht für die anderer.

      Bist du in Therapie? Wenn nicht, solltest du dringend mal zum Doc und mit ihm über all das reden.

      alles gute
      Sternenspringer
      Hallo Sternenspringer!

      Danke für deine schnelle und liebe Antwort! Ich hatte leider einiges um die Ohren und hab ein wenig gebraucht um mich wieder zu sammeln, deshalb komme ich erst jetzt zum Antworten. Ein Gespräch mit einer meiner Kolleginnen hat mich am Mittwoch ziemlich aus der Bahn geworfen.
      Es hat mir wirklich gut getan mal von jemand anderem zu lesen der mein Problem verstehen kann. Und obwohl ich genau weiß, dass ich diese Verantwortung nicht länger tragen kann und will hat es mir wirklich Kraft gegeben es hier nochmal zu lesen... danke!

      Ich bin aus mehreren Gründen noch nicht in Therapie... ich weiß, dass mag wie eine Ausrede kl*ng*n. Und ich weiß ebenfalls, dass es wahrscheinlich richtig und wichtig für mich wäre. Und doch habe ich Angst... davor das Dinge zurück an die Oberfläche kommen, die ich seit langem in einer Schublade verstecke, über die ich nicht reden kann. Davor, dass ich nicht genug Kraft habe, das und den Stress in meinem Job durchzustehen! Ich arbeite im medizinischen Bereich und habe deshalb viel Kontakt zu den Ärzten hier in der Gegend. Aber ich kann mit keinem von ihnen über meine Probleme sprechen, denn ich habe Angst das relativ gute Arbeitsverhältnis zu gefährden. Einen Arztbesuch in einer anderen Gegend lassen meine Arbeitszeiten leider nicht zu.
      Ich weiß, dass ich eigentlich als erstes mit meinem Chef sprechen müsste. Denn er sieht nicht, wie ich mich fühle. Und vielleicht ist es erstmal eine gute Idee, meine Arbeitszeiten ein wenig zu reduzieren um privat mehr Möglichkeiten zu habe (auch für eine Therapie). Zumindest ist habe absolut keine Motivation mehr wenn ich nach einem 9 bis 10 Stunden Tag nach hause komme.

      Eins der Dinge, die mich am meisten beschäftigt ist die Alles-egal-Einstellung einiger meiner Kollegen. Denn irgendwie interessiert plötzlich jeden nur seine eigene Arbeit und seine eigenen Probleme! Und es regt mich wahnsinnig auf zu hören, dass an einem Tag, an dem ich mal nicht da war, niemand einer Kollegin geholfen hat. Sie hatte ein kompliziertes Problem, sich schon eine Lösung überlegt und brauchte eigentlich nur jemanden, der ihr über die Schulter schaut und evtl. noch andere Ideen äußert. 5 Min. max. Und sie wurde einfach ganz allein gelassen. Bringt das die schnelllebige Zeit, in der wir leben so mit sich? Ich habe keine Antwort darauf! Vielleicht verstehst du, dass mir solche Situationen sehr nahe gehen und manchmal schon fast weh tun! Es ist unser Job anderen Menschen zu helfen... aber einfach mal die Augen öffnen und sehen, was um einen herum passiert, das funktioniert nicht!

      Auf die Idee sich auf die Arbeit mit den Händen zu konzentrieren bin ich bisher noch nicht gekommen. Ich habe früher Bücher eingebunden und Umschläge gestaltet. Und heute nachmittag habe ich eine großartige halbe Stunde im Bastelladen verbracht und mir ein paar Materialien und Ideen geholt! Und irgendwie freue ich mich auch schon darauf, dass auszuprobieren!
      Deine ganze Antwort klingt so positiv! Ich freue mich wirklich, dass du es geschafft hast mit diesem Problem umzugehen und zu leben! Das gibt auch mir Mut, obwohl ich weiß, dass es noch ein langer Weg ist!

      Danke dir und alles Gute!
      Nevi
      Life is not about waiting for the storm to pass,
      it's about learning how to dance in the rain.
      Das mit dem Bücher einbinden find ich toll, da gibt es so viele schöne möglichkeiten, so viel Material das man dafür verwenden kann. =)


      Die Probleme aus dem medizinischen Bereich sind mir durch meine Familie und Freunde bekannt. Da sind Einige die als Ergotherapeut arbeiten oder Pfleger.

      Viel zu wenig Zeit für die Patienten, zu wenig Personal usw. Eine Freundin von mir ist Altenpflegerin, mittlerweile im 5. Betrieb und wurde da oft mit Überstunden schamlos ausgenutzt, war nur noch Krank und hatte keine Kraft und Zeit mehr für ein Privatleben.

      Sie hat jetzt auch lernen müssen für sich selbst abzuschalten. Früher traute sie sich gar nicht irgendwas zu Planen, die Arbeit könnte ja anrufen das sie dringend jemanden brauchen. Sie ist jetzt dieses Jahr das erste mal seit 9 Jahren im Beruf, in Urlaub gefahren. Hat einfach spontan gebucht und war wech. Das hat ihr so gut getan, das sie nun wenn sie Frei hat keinen Anruf mehr entgegennimmt von der Arbeit. Sie hat eh schon so viele Überstunden das sie das gar nicht mehr ausgleichen kann mit frei machen.

      Bei meiner Mutter das selbe Spiel, die hatte eigendlich nur eine Halbtagsstelle und wurde aber Vollzeit eingeplant im Schichtplan. Sie musste auch lernen, Stopp zu sagen. Weil sie schon gesundheitliche Probleme hatte.

      Das Problem im Medizinischen Bereich ist nicht das die Menschen unsozial wären, sondern schlicht überfordert sind, mit der Menge der Arbeit. Oft ist es gar nicht zu packen. Es müsste dringend mehr Personal her. Kennst du bestimmt auch. Deswegen müssen die Menschen die in dem Bereich lernen unbedingt lernen Grenzen zu ziehen, sonst frisst das ganze sie auf.

      Ich wünsche dir viel Kraft für dich, das du es packst.

      lg
      Sternenspringer