Nie "normal"?

      Nie "normal"?

      Hey!

      Verzeiht mir den etwas plakativen Titel, aber mir fällt nichts Besseres ein, um das zu beschreiben was ich meine.
      Mir geht das seit längerem im Kopf herum und irgendwie wärs wohl hilfreich mal andere Meinungen dazu zu hören... oder andere Erfahrungen.

      Also im großen und ganzen läuft mein Leben im Moment erstaunlich gewöhnlich und geordnet. Ich hab ein Sozialleben, hab Hobbys und Dinge, die mir Freude machen. So weit alles schön. Was mir aber immer wieder auffällt, ist diese verflixte Wand zwischen mir und anderen Menschen. Es ist so, als würde ich denen permanent nachrennen, sie aber nie erreichen. Nur so aus weiter Ferne. Damit meine ich jetzt nicht, nachrennen im Sinne von Dinge für sie tun, sondern so dieses Gefühl von Hinterherhinken. Permanent steche ich in einer Gruppe raus - jedenfalls subjektiv von mir aus - und kriege Dinge nicht so hin wie andere Menschen.
      Zum Beispiel mit der Konzentration: wenn ich mich konzentriere, schaue ich beim Tanzen oft ins Leere, dann wird mir vorgeworfen, ich höre nicht zu und achte nicht drauf was ich tun soll. Dabei stimmt das nicht. Aber ich kriegs nicht kommuniziert, dass mein Gegenüber das auch versteht und es nicht nach Ausrede klingt.
      Wenn ich mir ansehe, wo ich letztes Jahr gestanden habe und wo ich jetzt bin, dann weiß, dass ich unglaublich viel geschafft und erreicht habe. An meinen eigenen Maßstäben gemessen. Aber es ist sooo unglaublich frsutrierend immer wieder dran erinnert zu werden wie ich in meiner eigenen Entwicklung anderen in meinem Alter hinterherhinke. Das fühlt sich an, als sei ich (und bitte nehmt mir den Vergleich jetzt nicht übel) "behindert" und einfach immer "anders". Zwar integriert, aber trotzdem so ein Mensch, den man anders behandeln muss als normale. Man integriert ja auch Kinder mit Handicaps in Schulklassen mit Gesunden, damit beide was voneinander lernen. So komme ich mir manchmal vor. Aber unter die "Kranken" passe ich auch nicht mehr.
      Vielleicht ist das nur ein Übergang und ich muss jetzt einfach erst mal alles lernen, wozu Gesunde viel länger Zeit hatten als ich. Nichtsdestotrotz ist und bleibt es nervtötend, ums mal ganz ehrlich auszudrücken. Ja, ich BIN anders, aber ich will nicht dauernd dran erinnert werden.
      Ist das jetzt ausschließlich mein Problem? Legt sich das irgendwann wieder oder ist das was, womit ich mich abfinden muss?
      Also quasi dass man manche Sachen nie nachholen kann und immer irgendwie besonders bleiben wird wenn man mal psychisch krank war. Damit könnte ich mich abfinden, denke ich.... Besonders ist ja nicht schlecht. Naja aber ich drehe mich gedanklich im Kreis, weil ich das so furchtbar frustrierend finde.... :rolleyes:

      Fällt irgendwem was dazu ein? Ratschläge, eigene Erfahrungen damit? Würde mich echt freuen!

      Liebe Grüße,
      federleicht
      Hey,

      ich weiß jetzt nicht genau ob meine Erfahrungen da ähnlich sind wie deine, aber auf jeden Fall kenne ich so ein Gefühl in der Art auch.

      Ich habe früher (und teilweise heute auch noch) sehr darunter gelitten, dass ich das Gefühl hatte, anders zu sein als andere. Und zu einem großen Teil ist das auch nicht nur ein Gefühl, sondern an Tatsachen messbar. Z.B. habe ich nur einen sehr kleinen Freundeskreis, hatte noch nie eine Beziehung, habe noch keine abgeschlossene Ausbildung/Studium… Da hat es mich schon oft sehr frustriert, auf Leute zu blicken, die all das hatten. Ich dachte wirklich immer, sie wären dadurch irgendwie besser und mehr wert als ich.

      Wie genau sich das dann geändert hat, kann ich rückblickend nicht mehr sagen. Wie gesagt habe ich diese Gefühle teilweise jetzt auch noch. Aber ich habe es, auch durch Unterstützung meiner Thera und das Aneignen einer gewissen „mir doch egal was andere machen/denken“-Einstellung, schon geschafft mich einigermaßen von diesen alten Ansichten zu lösen.

      Gerade das mit dem „anderen in der Entwicklung hinterherhinken“, das du beschreibst, hat mich an mich selbst erinnert. Ich denke, es ist einfach wichtig, da nicht so sehr auf die anderen zu gucken, sondern sich auf sich selbst zu konzentrieren, auf den eigenen Heilungsprozess, die eigenen Fortschritte. Das wirkt wirklich Wunder, meiner Meinung nach. Sich immer wieder auch vor Augen halten, was man schon alles geschafft hat und was schon besser ist als früher, und nicht, worin man immer noch nicht „so weit“ ist wie manche anderen. Es geht ja um dich, dein Tempo, dein Leben. Und wenn das einfach nicht so schnell verläuft bzw. verlaufen kann wie bei anderen, und man für manches etwas mehr Zeit braucht, sollte man das akzeptieren und sich deshalb nicht schlecht fühlen oder verzweifeln. So ist eben das Leben manchmal und man ist deshalb nicht "behindert" o.ä. :)
      "Love conquers all." "Every cloud has a silver lining." "Faith can move mountains." "Love will always find a way." "Everything happens for a reason." "Where there is life, there is hope." Oh, well... They gotta tell you something.
      Danke für deine Antwort!
      Es ist nicht so sehr, dass ich denke, andere seien dadurch dass sie mehr erreicht haben mehr wert. Jedenfalls nicht so vordergründig, glaube ich. Eher so, dass mich das ewige Anderssein sehr frustriert, weil ich nie so ganz dazu gehöre. Hat das was mit Leistungsdenken zutun? Ich weiß es nicht...
      Diese "Mir egal" - Einstellung versuche ich auch aufzubauen, gelingt mir auch inzwischen einigermaßen. Mal mehr, mal weniger. Nur wird das von außen so selten akzeptiert. Man muss so oft drum kämpfen, dass nur die eigenen Maßstäbe zählen und nicht die "normalen". Okay, vielleicht hast du recht und es ist doch wieder mein geliebtes Leistungsdenken, was sich dahinter versteckt :rolleyes:
      Trotzdem, mich würde interessieren, ob sich das auch nochmal ändert irgendwann, oder ob das einfach eine Sache ist, die man mit einer Vergangenheit, in der psychische Krankheiten vorkamen, akzeptieren muss.
      Hi federleicht,
      Konkret wissen, ob sich das nochmal ändern kann tu ich nicht. Bestimmt kann es alles wieder normal werden. Hängt wohl auch vom alter und so ab.
      Ich glaube viel mehr, es hat nicht unbedingt etwas mit psychischer Krankheit zu tun. Ich weiß nicht in wie weit du auffällst oder was genau du meinst, aber was ist wenn du es als teil deiner persönlichkeit anssiehst?
      Ich habe mich oft in meinem Leben behindert gefühlt. Auch wirklich mit dem Wort. Weil ich gemerkt habe dass ich manche sachen anders mache, mich anders verhalte. Aber so langsam fühle ich mich nicht "gestört" oder so, sondern ich denke einfach ich bin so. Ich muss ja nicht darunter leiden dass ich nicht immer so bin wie andere, warum sollte ich (bzw du) als "unnormal" gelten? Klar hat die psychische belastung usw bestimmt etwas damit zu tun, aber nicht unbedingt, vielleicht wäre ich auch ohne psychische krankheit so geworden. Es gibt viele Dinge, die ganz klar zur psychischen Krankheit gehören bei mir, aber halt auch manches was meiner Meinung nach nicht unbedingt daher kommt.
      Ich glaube das meiste verbindet man aus Angst mit der Krankheit, weil es sich eben als Begründung anbietet. Vielleicht ist es aber einfach so bei dir und du legst anstattdessen mehr wert auf andere charakterzüge, die anderen vielleicht nicht so wichtig ist, verstehst du was ich meine?
      Was denkst du, wenn leute dir durch irgendein charakterzug besonders auffallen? Mir fallen z. B. Menschen auf, die immer und immer weiter reden und mich vollsabbeln. Mir fallen Menschen auf, die besonders mathematisch und strukturiert denken. Oder Menschen, die leicht mal ausrasten. Ich finde die am ende auch nicht irgendwie "schief gelaufen" und die sind schon lange nicht zwansläufig psychisch krank gewesen.
      Ich würde mir an deiner Stelle nicht so viele Gedanken darüber machen, und ja, das Leistungsdenken abschalten. Aber am meisten würde ich versuchen es nicht mehr zu bewerten und keine Begründung mehr zu finden. Entweder du lebst damit oder du versuchst es aktiv zu ändern, aber nicht weil du "besser" sein musst.
      Ich hoffe du kannst damit etwas anfangen ;)
      Lg

      Hallo,

      also ich denke, dass es mehr Aspekte als Leistungsdenken hat. Den gibt es dabei natürlich auch, spätestens, wenn man sich Gedanken darüber macht, was andere in ihrem Leben schon erreicht haben und wie weit man selbst hätte sein können, wenn nicht so viel schief gelaufen wäre (z.B. drei Jahre früher das Studium abgeschlossen haben und jetzt entsprechend weiter zu sein auf dem Weg).
      Aber ausserdem denke ich, dass es auch daran liegt, wie sehr man sich selbst und sein Anderssein akzeptiert. Ich kriege gerade die Abgrenzung zu den anderen Bereichen nicht so gut hin, wie es in meinem Kopf eben noch war, daher klingt es vielleicht etwas trivial - ich werde es mal mit einer Beschreibung versuchen. Es geht aber auch in die Richtung, die Kudos angesprochen hat.

      Ich fühle mich oft sehr abgeschnitten von der Welt und vor allem von anderen Menschen. Auch wenn ich Zeit mit Menschen verbringe, die ich schon seit Jahren kenne und auch gut kenne, fühle ich mich wie hinter einer Glaswand, so als würde ich nicht ganz durchdringen können und als würde ich aufgrund dieser Wand, die wahrscheinlich ein gewisses Anderssein ist, eben nicht dazugehören können. Dabei, das muss man dazu sagen, bin ich - was die psychische Vorbelastung angeht - nicht wesentlich anders. Hier hat jeder sien Päckchen zu tragen und einige haben doch einen sehr offensichtlichen Dachschaden, mal nett gesagt. Trotzdem komme ich nicht durch, trotzdem ist da diese Wand. Mal ist sie dünner, mal dicker, mal weg, dann wieder da. Das ist nicht steuerbar und scheinbar völlig willkürlich. Nein, das stimmt nicht... an Tagen, an denen ich ohnehin innerlich dazu neige mich eher zurückzuziehen, ist es besonders schlimm, auch wenn ich versuche aktiv teilzunehmen.
      Aber an guten Tagen, wenn ich diese Sache an siche infach so akzeptiere, dass diese Wand eben zu mir gehört, dass ich vermutlich einen viel größeren Kreis als andere Menschen um mich habe, dann geht es sehr gut. Dann ist es mir egal, dass da diese Wand ist und wenn es mir egal ist, fühle ich mich schon viel näher dran.

      Du hast geschrieben:

      Ja, ich BIN anders, aber ich will nicht dauernd dran erinnert werden.


      Vielleicht erinnerst ja Du am häufigsten Dich selbst daran, dass Du anders bist? Und vielleicht erinnerst Du Dich auch an das falsche "Anderssein"?
      Was heisst denn anders für Dich? Kannst Du dann gar keine positiven Eigenschaften an Dir mehr sehen?
      Und das, was Du denkst, was andere über Dich denken... wie realistisch ist das? Ich musste schon sehr oft feststellen, dass meine Gedanken über die Gedanken der anderen über mich vollkommen absurd waren. Vielleicht nicht vollkommen, aber eben auf eine andere Weise... Von anderen als anders bewertet zu werden, kann ja ebenso positiv sein. Manche Eigenarten machen einen Menschen eher interessant, erinnerbar oder sympathisch.
      Vielleicht siehst Du aktuell das Anderssein etwas zu ... einseitig?

      Naja, so weit meine Gedanken dazu. Vermutlich habe ich doch einfach nur einiges wiederholt, aber ich hoffe es war trotzdem etwas dabei.

      Grüße,
      klirr
      Hallooo :)

      Mein Therapeut meinte einmal zu mir - Denken Sie es gibt normale Menschen? Das kann ich ganz klar beneinen.
      In vielen deiner Worte kann ich mich wiederfinden. Aber eines bleibt für mich immer ein festes Standbein - ich komme vorran, mich treibt es immer weiter und das gibt mir die Kraft. Auch wenn ich mir oft wünsche, endlich meinem Alter zu entsprechen, diese Defiizite nicht zu haben - gibt es für mich immernoch glückliche Momente - und das darf man dabei nicht vergessen und man könnte sich u.U. auch selber (unbewusst) ausgrenzen, zu meinen das man "nicht normal" ist. Manchmal ertappe ich mich dabei, mich bewusst auszugrenzen, sei es durch meine Ängste - Unsicherheit. Allerdings ist diese Initiative stark von meiner Seite ausgehend, ähnlich wie klirr es beschrieben hat.
      Aber - gibt es denn diese Abgrenzungen? An was und wer legt sie fest? Das frage ich mich immer, wenn man von "normal" spricht. Was zeichnet das aus?

      Ich weiss, dass ich sicher nie nie meine Ängste komplett loswerde - ok. Es gibt oft Tage an denen ich diese Ängste und mich damit auch selbst verfluche - ok. Aber - es gibt auch ganz ganz viele Tage in denen ich zufrieden vor mich hinlächeln kann. Denn ich weiss, was ich schaffe. Mit Ende 20 werde ich mein Studium abschließen, da ich einige kleine Irrwege wie Klinik und Orientierungslosigkeit hinter mir habe - auch wenn meine MitStudenten teilweise bis zu 7 Jahre jünger sind, weiss ich, dass ich meinen Weg gegangen bin. Es gibt kein, die anderen sind viel weiter, es ist ok - was kann ich schon großatig dran ändern. (Selbst)Akzeptanz ist da ein kleines Schlagwort.
      Was ich aber auch merke - manchmal direkt spürbar, manchmal werde ich von anderen darauf hingewiesen - das sich einiges von selbst ändert - oder durch mich. Manches Verhalten, Defizit (ein irgendwie unschönes Wort) braucht einfach ein bisschen länger um wieder mitlaufen zu können und man muss nicht immer aktiv dafür wettern. Manches entwickelt sich über Jahre. Alles was sich über Jahre aufgebaut hat, braucht seine Zeit.
      Von meiner Warte aus kann ich sagen, dass es keinen Stillstand gibt. Das kann ich ganz klar unterschreiben.

      Mich würde aber mal interessieren, wie und wann merkst du - nicht normal zu sein?

      Grüsse
      Cooki
      Hey ihr!
      Lieben Dank für all eure Antworten!
      Ich hab heute morgen auch nochmal in der Therapie drüber geredet und mir scheints vor allem an einem Skill zu fehlen: Radikale Akzeptanz. Ist ja auch das, was du schreibst, klirr, wegen der gläsernen Wand. Sobald du nicht dagegen ankämpfst, ist es viel einfacher zu ertragen im Grunde. Da steckt wohl auch mein Problem so ein bisschen. Ich ärgere mich viel zu sehr über Sachen, die ich kaum bis gar nicht beeinflussen kann oder die einfach dumm laufen. In diesem Beispiel mit der Wand finde ich mich auf jeden Fall sehr wieder.
      Was ihre beide, klirr und kudos, über die Charakterzüge schreibt, macht mich stutzig. Es gab schon Zeiten, da hab ich kein gutes Haar an mir gelassen, aber ich dachte eigentlich, das ist vorbei.... Trotzdem ist da noch ein Teil in mir, der gern ganz anders wäre als ich es bin. Keine Ahnung, vielleicht wird man das einfach auch nicht so schnell los. Womit wir wieder bei der Akzeptanz wären...
      Anderssein ist für mich jedenfalls schon sehr oft was Positives - aber eben nur bei anderen Leuten, nicht bei mir selbst. Nicht weil ich mich immer noch so schlimm finden würde, sondern weil ich weiß, wie anstrengend das ist. Immer und immer wieder Dinge sagen zu müssen, nur um zu merken, dass der andere einen nicht versteht weil ich einfach nicht kommunizieren kann scheinbar. Das fühlt sich furchtbar an.
      Normal ist für mich zum Beispiel, kommunizieren können wie oben angedeutet, sich konzentrieren und mehr als drei Sachen auf einmal merken können, Bewegungen in meinem Körper umsetzen zu können ohne darüber nachzudenken.... alles Dinge, die ich lernen muss. Mag sein, dass ich das zu einseitig negativ sehe... Wie gesagt, es ist letzten Endes eine Sache der Akzeptanz. Irgendwie.

      Tut mir Leid, dass ich jetzt nicht auf jede Antwort ausführlich eingegangen bin, aber ich hab alles gelesen und es war auf jeden fall hilfreich! :)