Vorschnelle Diagnose oder Provokation?

      Vorschnelle Diagnose oder Provokation?

      Hallo liebes Forum,
      ich hoffe, das wird angesichts der Uhrzeit nicht zu wirr und passt in dieses Unterforum.

      Ich werde nächsten Mittwoch eine teilstationäre Therapie in einer Tagesklinik beginnen.
      Am vergangenen Dienstag hatte ich dort mein Vorgespräch.
      Der Therapeut, der dieses Gespäch mit mir geführt hat, hat mich nach einigen organisatorischen Fragen gefragt, was mich herführen würde.
      Ich sagte, ich wäre depressiv und würde mich selbst v*rl*tzen, da unterbrach er mich und sagte: "Das hätte ich Ihnen jetzt auch angesehen, wenn Sie's nicht gesagt hätten. Sie haben so eine Aura von Borderline." Ich sagte ihn, dass ich die Diagnose schon mal bekommen habe, mir dessen aber nicht so sicher wäre da BL und SVV ja nicht im zwingenden Zusammenhang stehen und (meiner Meinung nach) zu wenig andere Kriterien auf mich zutreffen. Er bestand auf seine Meinung ich sei Borderlinerin (nach ca 5 min Gespräch) schrieb mir aber am Ende als Haupteingangsdiagnose doch Depressionen auf. Eingeteilt werden soll ich wohl aber in die Gruppe der Patienten mit Persönlichkeitsstörungen (Daneben gibt es noch eine Angst- und eine Depressionsgruppe)

      Zudem hat er mich mehrfach nach eventuellen Traumata befragt - als ich ihm sagte, es gäbe keine, begann er meinen Eltern emotionale Erpressung zu unterstellen (Zitat: "Ihre Mutter hat doch sicher gesagt: <Wenn du das machst, dann hat Mami dich weniger lieb.>"). Was definitiv Blödsinn ist. Sicher haben meine Mutter und ich Differenzen, durch meine Krankheit vielleicht auch andere als "normal", aber im großen und ganzen verstehen wir uns sehr gut! Auf die durch mich erwähnten Schwierigkeiten, die ich mit meinem Vater habe, ist er nicht weiter eingegangen...

      Ich weiß nun nicht so recht, wie ich das für mich einordnen soll. Wollte er mich nur aus der Reserve locken, mich provozieren um meine Reaktionen auszutesten oder bin ich tatsächlich an einen "5 Sekunden reichen für eine Diagnose"-Therapeuten geraten. Natürlich könnt ihr mir das so nicht beantworten, ihr kennt ihn ja nicht und wart nicht dabei, aber vielleicht kann mir einer von euch sagen, ob das eventuell so ne Masche von Therapeuten ist, dem Patienten so lange auf den Keks zu gehen, bis er freiwillig auspackt ;) oder ihn mit vorschnellen Diagnosen zu bewerfen :cursing:

      Dieser Therapeut wird höchstwahrscheinlich nicht mein behandelnder Therapeut während des Klinikaufenthaltes; trotzdem hat mich das irgendwie alles sehr irritiert.
      Hingehen werde ich auf jeden Fall - ich habe jetzt fast 3 Monate auf den gesprächstermin und die Aufnahme gewartet und ehrlich gesagt auch keine Alternative, da es ohne Klinik im Moment echt nicht geht.

      Naja, vielleicht fällt ja irgendwem was dazu ein, der schon mal etwas Ähnliches erlebt hat...

      Danke für's zu-lesen und eventuelle antworten,
      Injury
      Ja, manchmal poste ich mir Dinge von der Seele.
      Nein, man muss nicht alles kommentieren.
      Ich bin hier schon oft v*rl*tzt worden.
      Glaubt mir, das kann ich auch allein...
      Hey Injury,

      mach dir da nicht so einen Kopf. Es geht in dem Vorgespräh um eine erste Einschätzung, welche Therapieforen am besten für dich geeignet sind - denn danach richtet sich auch die sich noch ergebende Wartezeit. Denn gerade in den themenbezogenen Gruppen sind oft nur wenige Plätze frei, weshalb man dann warten muss.

      Wenn du wirklich kein Borderline hast, werden die Therapeuten das im Laufe deines Aufenthaltet ebenfalls erkennen und dich entsprechend in eine andere Gruppe verschieben.

      Ich hatte letztens auch ein Vorgespräch - und dabei ging es eben nicht nur um irgendwelche Diagnosen, sondern darum, welche Therapieform am besten geeignet ist. Man geht ja immer davon aus, dass für Borderliner die DBT am besten ist; dieser Therapeut sagte mir aber auch relativ schnell (nach 10 Minuten), dass er sich vorstellen kann, dass die DBT einfach nicht die richtige Therapieform ist.

      Vielleicht wollte er dich provozieren das glaube ich aber kaum. Denn in den ersten 2 Wochen deines Aufenthaltes läft meistens sowieso erstmal wieder Diagnostik.

      Liebe Grüße
      Hope.
      Der wichtigste Mensch in Deinem Leben....


      ... bist immer Du selbst.
      Hallo Injury

      Es gibt tatsächlich therapeutische Methoden, die Provokation beinhalten, aber ob das bei der Situation der Fall ist, kann dir hier natürlich niemand sagen. (So weit ich - als Laie - weiß, sind das aber eigentlich eher andere Mittel in anderen Situationen.)
      Es kann so sein, wie Hope. es schreibt. Oder dieser Therapeut war eben tatsächlich ein Stück wandelnde Inkompetenz. Ich bin auf ähnliche Art zu meiner Diagnose gekommen. Diagnostiziert nach ein paar Minuten und dann einfach immer weiter übernommen. Teilweise wurde auch auf Biegen und Br*ch*n nach Auslösern gesucht, um das ganze zu untermauern. Insgesamt hat es so etwa 8 Jahre gedauert, bis nun endlich offiziell ist, dass die Diagnose falsch war. Und dann ist eine Diagnose eben nicht nur ein Wort, weil sie auch bedeuten kann, dass man jahrelang mit falschen Mitteln in die falsche Richtung an Dingen arbeitet, die nicht da sind. Ich bin stationär z.B. nie in die Depressionsgruppen gekommen, weil man die depressive Symptomatik bei einer "Borderlinerin" als nebensächlich empfand.
      Daher mein Rat an dich: Schau's dir dort an, nimm die Therapien mit, die für dich hilfreich sind (und verlass dich da auch auf dich und nicht nur auf die Meinungen der Therapeuten) und vielleicht kannst du die Situation auch gleich zu Anfang bei deiner/deinem Therapeuten/Therapeutin dort ansprechen und fragen, wie das dort gehandhabt wird. Anfängliche Diagnostik ist nämlich nicht überall selbstverständlich. Und sollte im Laufe der Therapie tatsächlich die Diagnose BPS gestellt werden, besteh darauf, dass dir die Gründe dafür genau erklärt werden. Da ja aber nun erst mal Depression als Hauptdiagnose dort steht, werden sie ja hoffentlich nicht ganz so fixiert darauf sein und vielleicht war dieser "Ich kann in fünf Minuten eine PS diagnostizieren"-Therapeut ja eine Ausnahme dort.

      Lieber Gruß
      Paula
      Ihr Lieben,

      ich danke euch für die schnellen Antworten.

      Liebe Hope., du hast recht, ob ich wirklich eine BPS habe, will er noch mit Tests abklären, hat er gesagt und mich vermutlich deshalb auch erstmal auf dem Diagnosezettel als depressiv eingestuft. Über Therapieformen haben wir jetzt nicht so viel gesprochen, aber die haben da schon ein breites Angebot von Ergo- über Bewegungs- bis Gesprächstherapie und laut Flyer zumindest DBT-Elemente, da wird sich vermutlich etwas hilfreiches für mich rauskristallisieren.

      Liebe Paula, stimmt, ich könnte meine Unsicherheit bezüglich der vorschnellen Diagnose ansprechen. Da bin ich selbst ehrlich gesagt noch gar nicht drauf gekommen, da mir sowas (à la "Sorry, kann es sein dass sie da in Bezug auf mich eine(n) "Fehler/vorschnelle Beurteilung" gemacht haben") immer total schwer fällt. Aber da ich ja was dazu lernen soll, ist das ja vielleicht gar keine schlecht erste Herausforderung. Auch das "Auf eine gute Begründung für eine Diagnose besehen" wird sicher eine schwierige Übung, könnte mich aber natürlich auch in meinem Problem mit mangelnder Selbsfürsorge weiterbringen, da ich dann für mich kämpfen muss. Das mit dem "auf mich selbst verlassen" anstatt nur auf die Meinung der Therapeuten zu hören wird auch noch ne Hausnummer... Aber wie war das? Die Leber (oder in diesem Falle hoffentlich die Injury) wächst mit ihren Aufgaben ;)

      Ich danke euch beiden, denn ich glaube, mir fällt es jetzt tatsächlich leichter, das ganze als Chance zu betrachten.
      Liebe Grüße,
      Injury
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      Glaubt mir, das kann ich auch allein...
      Hallo Injury,

      eine Aura von Borderline...Der Typ hat sie wohl wirklich nicht mehr alle. Borderline ist einer der komplexesten psychischen Störungen, das kann man einem doch nicht nach 5 Minuten diagnostizieren.
      Wird dieser Therapeut auch dein Bezugstherapeut sein?
      Meiner Meinung nach solltest du auf jeden Fall deine Meinung zu dieser 5-Sekunden-Diagnose äußern, da es dir die Tagesklinik auch nichts bringen wird, wenn du dort falsch behandelt wirst.
      Aber am Anfang läuft da sowieso noch Diagnostik, da wird man wohl auch auf diesen Verdacht eingehen.

      Viele Grüße

      Scherben
      “Pain demands to be felt.“

      - “The Fault in our stars“ von John Green
      Hallo Scherben,

      jaja, eine "Aura von Borderline", da dachte ich auch er hätte sie nicht mehr alle ;)
      Mein Bezugstherapeut wird er höchstwahrscheinlich nicht sein, da ich ja in die Persönlichkeitsgestörtengruppe soll, er aber die Depressiven betreut, was ja aber dort nun meine Eingangsdiagnose ist. Mal schauen, wo ich Mittwoch lande :-/

      Da ihr mir ja aber alle sagt, dass ich noch ein bisschen mehr Diagnostik zu erwarten habe (was hoffentlich nicht nur auf diese "Haben Sie mindestens 5 von 9 Merkmalen, was meinen Sie?"-Tests hinausläuft) kann ich ja noch hoffen. Was mich da genau erwatet weiß ich nicht, da ich noch nie in einer Tagesklinik war und meine beiden stationären Aufenthalte 7 bzw. 8 Jahre zurückliegen und ich mich ehrlich gesagt nicht mehr so sonderlich gut daran erinnere. Moment, doch: Ich habe mich selbst v*rl*tzt, deshalb wurde mir (beim ersten Aufenthalt mit 17!!!) Borderline diagnostiziert...

      Es scheint aber so, als müsste ich diesmal meine Ellenbogen ausfahren (im metaphorischen Sinne!!!) um zu einer sinnvollen Diagnose zu gelangen.
      Das wird lustig, denn Konfrontation ist ja so total mein Spezialgebiet *ironie*

      Danke und liebe Grüße,
      Injury
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      Hallo,

      also erst mal finde ich es super das du dich icht einschüchtern lässt und da trotzdem hingehst ! Das ist super !

      Zu dem gespräch. Also was cih in Vorgesprächen schon alles gehört hab war... entzückend. Es ist eben meist eine erste Einschätzung aber ich hab die Erfahrung amchen dürfen, das ich , wenn sich die Erstdiagnose als völlig Banane erwiesen hatte, innerhalb der zeit auch die Gruppe wechseln durfte damit ich eben möglichst viel guten Input bekomme.
      Als Tipp kan ich dir nur geben: Behalte dir deine gute Reflektion bei, wenn du während der Thera merkst das es dir nicht gut tut oder du dich falsch aufgehoben fühlst, dann sprich das an.

      Zu Borderline Diagnosen: Du shcreibst das du davon wenig hast, aber sieh es mal so: Borderline ist letzlich eine Suppentopfkrankheit. Man weiß nicht wie diese Suppe zusammengestezt ist ob es Ein tipf ist wo gleich viele Symptome zusammmenkommen oder eine Einzelsymptomsuppe. Aber wie bei jeder guten Suppe braucht es Zeit um herauszufiltern was es für eine Suppe ist.
      (Ja das Bild ist etwas schräg, macht aber hoffentlich den Komplex des ganzen deutlich)
      Viele sehen nur den Topf ohne Inhalt und sagen dann Borderline, aber man muss eben mit der zeit in die Suppe schauen ob es das ist.

      Man muss bei alldem nicht gleich auf Konfrontation gehen ein wachsames inneres Auge ist oft shcon Stütze genug. Denn damit vermittelst du das du auf dich und deine Bedürfnisse hören kannst und sie wahrnimmst.

      Ich wünsch dir alles Gute und viel Kraft!
      Liebe Pinsel,

      Danke für deinen ermutigenden Beitrag. Das es eventuell die Möglichkeit gibt, nach einer "blödsinnigen" Erstdiagnose dir Gruppe zu wechseln, ist mir noch gar nicht in den Sinn gekommen. Morgen geht's los, dann werde ich ja sehen, wohin sie mich stecken und wie sie das begründen. Ich hoffe, ich werde, wenn mir etwas spanisch vorkommt, die anmerken können - da tue ich mich immer sehr schwer mit...

      Besonders danken möchte ich dir aber für den Vergleich von Borderline und Suppe - ich habe schon ewig nicht mehr so gelacht, obwohl du natürlich völlig recht hast. Vielleicht werde ich den Therapeuten mal dieses Gleichnis darlegen, wenn es sich herausstellen sollte, dass sie auf einer vorgefertigten Meinung beharren :)

      Mir besten Grüßen,
      Injury
      Ja, manchmal poste ich mir Dinge von der Seele.
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      Glaubt mir, das kann ich auch allein...