Darf es mir gutgehen?

      Darf es mir gutgehen?

      Mich begleitet SvV seit 25 Jahren, ich habe die Borderline-Persönlichkeits-Störung und noch einige Nebendiagnosen. Mein Leben war bis jetzt eher in Finsternis getaucht und ich hatte selten die Gelegenheit durchzuatmen.

      Nun bin ich in der seltsamen Lage, das es mir seit ca. 1 Woche sehr gut geht. Es fühlt sich ungewohnt an und irgendwie habe ich sogar ein schlechtes Gewissen. Aber dennoch ist es verdammt gut :)

      Seitdem ich darüber nachdenke, ist mir aufgefallen, wie sehr ich meine Diagnose lebe und nicht immer kann ich mir sicher sein, ob es mir schlecht ging, weil es mir wirklich schlecht ging oder weil es einfach so sein muss. Versteht mich nicht falsch: ich will diese Krankheit nicht relativieren oder alles der Einbildung zuschieben. Doch ich Frage mich, ob ich selbst der Diagnose zu viel Macht einräumte und mich darin wohnlich eingerichtet habe. Bestimmt habe ich mich wieder ungeschickt ausgedrückt - verzeiht das bitte! In möchte das Borderline-Erleben auf keinen Fall abschwächen. Versteht ihr meine Gedanken etwas?

      Wie auch immer, ich habe beschlossen, das es mir gut gehen darf und ich das für mich annehme. Drückt mir die Daumen, das es noch etwas anhält.

      Ich wünsche euch jedenfalls von Herzen etwas von meinem Glück abzugeben!

      Lieben Gruß

      paul
      Hallo Paul,

      Also zuerst mal freue ich mich, dass es dir gut geht :)
      Ich denke nicht, dass du es absichtlich so wolltest, dass es dir schlecht ging. Ich nehme jetzt nur mal mein Beispiel her: wenn es mir gut geht, dann fange ich sofort an, nachzudenken, warum es mir nicht immer so gehen kann oder wenigstens öfter. Das führt dann dazu, dass wieder schlechte Erinnerungen kommen und schwupp, geht es mir wieder schlecht.

      Dass du beschlossen hast, dass es dir gut gehen darf, finde ich super von dir. Wenn du die Einstellung dazu hast, dann geht das sehr wohl :)

      Ich hoffe, du behälst diese Einstellung und zweifelst nicht daran, ob es dir überhaupt gut gehen darf. Denn stell dir mal die Gegenfrage: warum dürfte es dir denn nicht gut gehen?


      Alles Gute und liebe Grüße,
      17teers
      Finde den Spiegel deiner Seele
      und lerne dich selbst kennen.
      Hallo,

      für mich liest es sich so als ob etwas wichtiges bei dir klick gemacht hat: Du hast eine Krankheit aber du bist nicht deine Krankheit.

      Demnach darf und kann es dir gut gehen. Borderline ist eine Suppentopfkrankheit, bei einem sind die Symptome größer bei einem anderen ganz andere Symptome.
      Aber wie bei jeder Suppe: man kann sie einfrieren: einfach umfüllen und ab ins Eisfach.
      Sie ist nicht weg, sie ist nur eingefroren. manchmal nimmt ein Schalk die Suppe und taut sie auf - bevor man es wieder in die Hand nimmt und die Suppe einfriert.

      Die Krnakheit hat letzlich nur soviel macht wie du ihr gibst.
      Du hast es geschafft die Suppe ins Eisfach zu stellen, das ist super !
      Ich hab für mich festgestellt, das ich jeden Tag aufs Neue mich "Auftauungsversuchungen" widersetzten muss, mal sind sie stärker, mal schwächer. Aber immer wenn mir das glückt merk ich wie gut es mir geht.

      Ich hoffe du verstehst meine Metapher, ich wünsche dir ganz viel Kraft das die Suppe im Eisfach bleibt =)
      Hallo Paul,

      paulwolle schrieb:

      Seitdem ich darüber nachdenke, ist mir aufgefallen, wie sehr ich meine Diagnose lebe und nicht immer kann ich mir sicher sein, ob es mir schlecht ging, weil es mir wirklich schlecht ging oder weil es einfach so sein muss. Versteht mich nicht falsch: ich will diese Krankheit nicht relativieren oder alles der Einbildung zuschieben. Doch ich Frage mich, ob ich selbst der Diagnose zu viel Macht einräumte und mich darin wohnlich eingerichtet habe.
      Ich denke, das ist tatsächlich etwas, wo man vorsichtig sein muss und es ist ein Grund, aus dem manche Therapeuten ihren Klienten keine Diagnosen mitteilen, denn daraus kann tatsächlich auch eine Self Fulfilling Prophecy werden. Nicht unbedingt weil man es so will (wobei es auch das gibt), sondern weil man meint, "Ich habe Borderline (Depressionen, Ängste, sonst was), dann ist das so". Und so macht man es sich dann tatsächlich bequem. Lebt die Symptome, die eben dazugehören, übernimmt vielleicht auch noch die (überholte) Ansicht, dass Borderline unheilbar wäre und macht es sich damit hübsch einfach. (Und wird teilweise darin noch von außen, von Angehörigen, Fachleuten,... unterstützt.)
      Auch wenn Diagnosen nur Worte sein sollten, das alles ist tatsächlich nicht abwegig und ich würde behaupten, dass es gar nicht mal so selten passiert. Und es kann einem sogar passieren, wenn die Diagnose eigentlich gar nicht stimmt. Das ist meine eigene Erfahrung, denn auch mir ging es zeitweise immer mal wieder genau so.
      Darum: schön, dass es dir jetzt gut geht. Und wenn du die Vermutung hast, dass es auch bei dir so läuft, vielleicht versuchst du da ein bisschen achtsam zu werden und immer mal wieder in dich hinein zu hören und zu überprüfen, ob du gerade dich selbst oder die Diagnose lebst.

      Lieber Gruß
      Paula
      Paula, Pinsel und 17teers - habt vielen Dank für eure guten Beiträge, eure lieben Wünsche und Unterstützung! Ich bin erleichtert, das ihr mich versteht und meine Gedanken nachvollziehen könnt, denn ich war nun doch etwas verwirrt.

      Ihr habt mich sehr darin bestärkt zukünftig achtsam zu sein und nicht einfach meine Diagnose zu leben. Das ist für mich von unschätzbarem Wert. Danke schön :)

      Das mit dem Eisfach finde ich gut veranschaulicht, daran werde ich jetzt immer denken, wenn es droht aufzutauen.

      Seid lieb geknuddelt

      paul