Opfer wird zum Täter

      Opfer wird zum Täter

      Hi!


      eventuell Trigger..

















      Ich bin gerade völlig durcheinander. Gestern war ich beim Psychologen und erzählte ihm vom großen schn**d*druck, unter dem ich momentan leide. Er sagte dann, (nicht wörtlich aber während der ganzen Therapiestunde sinngemäß) dass ich mich mit dem Täter identifiziert hätte, der mir als 9-10 jähriger angedroht hatte, nachdem er mich übelst missbraucht hatte, dass er mich mit einem großen m*ss*r zerschn**d*n und töten würde, wenn ich je darüber reden würde. Da ich nun mich selbst schn**d* und damit das an mir vollbringe, was er mir damals angedroht hatte, meint der Therapeut, dass ich mein Ich völlig verloren hätte und nun selbst zum Täter an mir werde. Und ich hätte keinerlei Mitleid mit mir selbst. Damit fühle ich mich wie eine Psychopathin.

      Kann mir vielleicht jemand sagen, ob das typisch ist für Borderliner, trifft das letztlich auf alle hier zu, die Gewalt erlebt haben und sich jetzt v*rl*tz*n? Ich fühle mich damit so krank und gestört, weiß nicht, wie damit umzugehen.
      Schlägt Dir die Hoffnung fehl, nie fehle Dir das Hoffen. Ein Tor ist zugetan, doch 1000 stehn noch offen. (Friedrich Rückert)
      Hallo,

      vermutlich liegt es nicht daran, dass niemand etwas damit anfangen kann, sondern eher daran, dass es ein sehr heikles Thema ist. Zuschreibungen wer wann wie "T*t*r" wird, sind nicht ohne - bei manchen kann da ein falsches Wort doch ziemliche Folgen haben, weil es eben ein so sensibles Thema ist. Daher würde ich eher denken, dass man sich bei so einem Thread eher zurückhält.

      Ich persönlich halte aber nichts davon so eine Zuschreibung zu machen. Aber vielleicht solltest Du das mit dem Therapeuten besprechen, eventuell wollte er damit provozieren, damit Du einen bestimmten Blickwinkel auf Deine Handlung bekommst. Unabhängig von dem Wort "T*t*r" hat der Therapeut ja auch recht: In dem Moment, wo man sich selbst schadet, hat man alles andere als Mitleid mit sich selbst.

      Und was "typisch" ist, ist auch eher schwierig zu formulieren. Vielleicht kann man insofern verallgemeinern, dass niemand sich grundlos verl*tzt. Die Gründe allerdings können ziemlich individuell sein und noch weitergehend: nicht jeder, der den gleichen Grund hat, muss auch einem ähnlichen Mechanismus unterliegen. Manche fühlen sich wertlos, andere wollen sich bestrafen, dieses wie jenes kann es nach solchen Erfahrungen geben.

      Und zu dem Gefühl "krank und gestört" zu sein, vielleicht könntest Du das ja auch nochmal genauer in der Therapie besprechen. Natürlich kann man einerseits sagen, dass es anderen auch so geht und es deswegen innerhalb der Gruppe, denen es auch so geht, ganz "normal" ist. Aber im Vergleich zu einem Leben ohne psychische Störungen, ist es tatsächlich genau das: eine Störung. Und vielleicht wollte der Therapeut ja genau das auch in den Vordergrund rücken mit dem, was er gesagt hat. Aber eventuell wäre es ja, wie gesagt, gut, wenn Du bei ihm genau das nochmal ansprichst.

      Grüße,
      klirr
      Vielen Dank für Deine Antwort, Klirr, ich habe heute noch einmal mit dem Therapeuten gesprochen, er hat es mir noch einmal anders erklärt und ich habe auch mehr mitbekommen, bin nicht im Nebel versunken, jetzt kann ich besser verstehen, was er meint und es macht auch Sinn. Bin also etwas ruhiger, auch wenn ich mich immer noch so scheußlich krank fühle. Aber das bin ich wohl einfach und muss jetzt das Beste daraus machen.
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      Liebe runbinja,

      ich wollte dir schon etwas früher schreiben, aber ich kam leider noch nicht in Ruhe dazu...

      Ich möchte zunächst auf deinen letzten Post eingehen: du fühlst dich scheußlich krank, aber ich bin mir sehr sicher, dass du nicht scheußlich krank bist. Denn du bist nicht das, was passiert ist. Du musst "nur" mit dem leben, was dir passiert ist. Und das ist scheußlich, ja. Aber du bist es deswegen nicht. Bitte sei dir dem immer bewusst!

      Es freut mich zu lesen, dass du mit dem Therapeuten scheinbar an dem Thema dran bleibst!
      Allerdings mag ich noch kurz einen Gedanken zu dem Thema niederschreiben. Der Therapeut erklärt es so, dass du sozusagen die Rolle des Täters übernimmst und das tust, was er dir angedroht hat. Ich denke nicht, dass es hierfür die Beschreibung "Täter" braucht, um dein Verhalten zu erklären. Ich denke vielmehr, dass das was er dir angedroht hat, für dich unkontrollier ist und mit der Selbstverletzung hast du in gewisser Weise Kontrolle über dich und vor allem über deinen Körper. Hierbei kannst du entscheiden, ob du es tust, wie du es tust, wie oft du es tust, in welcher Intensität du es tust... Damit schlüpfst du in meinen Augen nicht in die Rolle eines Täters, sondern bleibst in der Opferrolle. In einer Rolle, die lediglich versucht, durch ihr selbstschädigendes Verhalten etwas zu kompensieren, etwas loszuwerden, was furchtbar Angst macht.

      Ich finde es gerade bei einem solchen Verhalten wichtig, dass man sich (auch wenn es schrecklich ist, was man sich antut) Verständnis entgegenbringt. Dass man sein Verhalten akzeptiert als etwas, das einem gerade im Moment scheinbar auf irgendeine Art und Weise hilft, mit etwas fertig zu werden. Du bist deswegen nicht böse, du bist deswegen kein Täter (im negativ konnotierten Wortsinn) und du bist auch nicht scheußlich krank, sondern du kämpfst! Und die Selbstverletzung ist dafür momentan wohl noch deine Waffe.

      Ich hoffe, ich konnte dich mit meinen Zeilen ein wenig erreichen und wünsche dir alles Gute für die nächste Zeit!

      n.
      ...what goes around comes around
      Vielen Dank für diese Anwort, negligeable, es ist sehr tröstlich, wie Du das schreibst. Aber momentan komme ich einfach nicht mit diesem Thema klar. Gestern in der Therapie hat der Psychologe noch einmal erklärt, was er genau meint. Ein Teil meiner Psyche würde den Täter imitieren (seine Sichtweise, sein angedrohtes Verhalten) und das würde sich z.B. in Selbstverletzung und eigener Schuldzuweisung an dem m*ssbr**ch auswirken. Ich hatte gestern ein Foto von mir dabei, auf dem ich 9 Jahre alt war, also so alt, wie damals, als es passierte. Ich konnte mich mit dem Foto überhaupt nicht identifizieren, habe überlegt, ob dieser Mensch vielleicht viel älter aussieht und verdient hat, was ihm passiert ist. Das wäre dann auch die Sichtweise des Täters (meinte der Psychologe), die sich bei mir zeigt.
      Heute konnte ich die extreme Spannung in mir und das sooo starke Drängen nicht mehr aushalten und habe mich wieder g*schn*tt*n, seit dem 18.Juni 2013 zum ersten Mal wieder. Und ich fühle mich so, als wäre ein Damm g*br*ch*n, ich denke nur noch daran und warte jetzt schon ungeduldig darauf, dass mein Sohn schlafen geht, damit ich weitermachen kann. Andererseits versuche ich, mit allen Mitteln, dagegen anzukämpfen, ich wende seit Stunden Skills an und mache alles, um mich davon zu distanzieren. Diese zwei Extreme zerreißen mich fast.
      Hat vielleicht noch irgendjemand eine Idee, wie ich damit umgehen kann, mein Kopf ist so wirr und die Emotionen sind kaum mehr auszuhalten.
      Schlägt Dir die Hoffnung fehl, nie fehle Dir das Hoffen. Ein Tor ist zugetan, doch 1000 stehn noch offen. (Friedrich Rückert)
      Hallo rubinja,

      auch zu deinem letzten Beitrag noch ein paar Zeilen: ich glaube, Schuldzuweisungen haben auch irgendwie das Ziel, das Ganze weniger "schlimm" zu machen - wenn man sich sagt "du hast das verdient" dann ist es irgendwie eine "Begründung". Wenn man einfach nur das sieht, was geschehen ist und wie wenig man dafür konnte (nämlich gar nichts!) dann ist das schmerzhaft, unkontrollierbar, gefährlich, verdammt ungerecht, ... Das tut weh. Und das kommt zu dem Schmerz, den man eh schon hat, auf Grund dessen, was passiert ist. Ich glaube, dass man mit Schuldzuweisungen versucht, diesen Schmerz ein wenig zu kompensieren.

      Aber: dir wurde Unrecht (an-)getan, du bist nicht Schuld und du musst dich nicht dafür bestrafen, was passiert ist. Dir wurde etwas angetan, aber du bist nicht DAS. Du warst, bist und bleibst ein Mensch, der dies leider erleben musste.

      Sei nicht böse auf dich, dass du einen Rückfall hattest. Selbstverletzung war vermutlich lange eine hilfreiche Strategie für dich. Es ist ok und verständlich, wenn diese Strategie jetzt in einer solchen Krisensituation nochmal aktuell wird. Dennoch sind Skills wichtig und ich finde es toll, dass du seit Stunden kämpfst!

      Erlaube dir, eine Pause zu machen von all den Erinnerungen, Gefühlen, Bildern...

      Du schleppst das vermutlich bereits jahrelang mit dir herum. Das lässt sich jetzt (leider) nicht in ein paar Minuten klären... Aber bleib' dran, es wird besser!

      Alles Gute, rubinja!

      n.
      ...what goes around comes around
      Es gibt da auch von Therapeutenseite unterschiedliche Ansichten zu. Die einen benutzen diesen Täterbegriff, die anderen nicht. Es hängt insofern mit der BPS zusammen, dass ein ganz zentrales Merkmal ja die Ambivalenz und das Hin- und herpendeln zwischen den Extremen ist.
      Möglicherweise wollte dein Therapeut dich dafür sensibilisieren, dass du eben nicht nur das eine bist, in dem Fall nur das Opfer. Das mag erst einmal schräg kl*ng*n, aber letztendlich besteht Heilung ja auch darin, dass man ganz verschiedene Seiten an sich lernt zu akzeptieren und in sein Selbstbild zu integrieren, auch wenn sie sich auf den ersten Blick widersprechen mögen.
      Möglicherweise wollte er dir auch einen Weg aus der Opferrolle zeigen. In dieser ist man schwach, hilflos, ausgeliefert. Das magst du damals gewesen sein, bist es aber heute nicht mehr, denn heute übernimmst du ja das, was dir damals angedroht wurde. Somit kann es dir von anderen nicht mehr angetan werden - du bist Opfer und Täter zugleich. Und damit nicht mehr nur schwach und hilflos, sondern auch stark und bestimmend. DU bestimmst, wann dir ein m*ss*r Schmerzen zufügt, und DU kannst es abstellen. Das ist deine starke Seite.
      Ich neige auch dazu, in der Opferrolle zu verharren, ganz einfach, weil sie so vertraut ist. Leider nimmt man diese Rolle dann aber immer wieder ein, auch in unpassenden Situationen, sodass dadurch auch oft Konflikte entstehen. Der Weg in eine gesundes Leben führt also aus der Opferrolle hinaus, und das ist erst einmal ungewohnt und umbequem. "Opfer" ist heute eben nicht mehr unsere Rolle, sondern wir tragen von beiden Seiten Anteile in uns, wie jeder andere Mensch auch.
      Ich danke Euch sehr für Eure Antworten und freue mich sehr, dass es Euch gibt und dass es überhaupt in diesem Forum möglich ist, Probleme zu äußern und Ermutigung zu erfahren. Danke!!!

      Tatsächlich habe ich es geschafft, mich nicht weiter zu v*rl*tz*n und die überaus anstrengende Skillerei hat doch viel gebracht, gedanklich konnte ich mich wieder etwas vom Thema des SVV entfernen. So langsam komme ich innerlich wieder zur Ruhe, ich habe mich mit dem, was der Therapeut gesagt hat, angefreundet und versuche, daran zu arbeiten, selbstfürsorglicher zu werden. Es gab da schon gewisse kleine Ansätze in den letzten Tagen, beim Judo z.B. konnte ich sagen, dass ich nicht gewürgt werden möchte, was ich vorher nur ausgehalten hatte mit Panik im ganzen Körper und manchmal Tränen danach. Auch Freunden gegenüber habe ich schon geschafft, ab und zu mal Grenzen zu setzen und sogar zu sagen, dass ich etwas nicht gut finde. Das sind für mich schon riesige Fortschritte.

      Es geht also weiter voran und egal, ob ich nun Täter bin oder nicht, ich versuche, auf einem guten Weg für mich weiterzugehen.
      Schlägt Dir die Hoffnung fehl, nie fehle Dir das Hoffen. Ein Tor ist zugetan, doch 1000 stehn noch offen. (Friedrich Rückert)
      Ich stecke gerade beruflich in einer Situation wo mir Unrecht angetan wurde. Wenn ich da Parallelen ziehe zu deinem Eingangspost, frag ich mich trotzdem jeden Tag ob ich nicht auch selbst Schuld bin an dem was da passiert ist. Und für diese (klar vom Verstand her blödsinnige) Schuld fällt mir auch so einiges ein wie ich mich verachten kann.

      Ich persönlich tue mich auch schwer mit dieser T*t*er-Identifizierung. Was ich bei mir zumindest nachvollziehbarer empfinde ist ein gewisser Selbsthass, der dazu führen kann. Und genau dieses hin und her zwischen Verstand (es ist was schlimmes passiert) und Gefühl 1 (fühlt sich schrecklich an) und Gefühl 2 (hab ich das so gewollt und bin ich zu ****?), macht es doch auch schwierig da mal ein stimmiges innerliches Bild von sich zu bekommen, wo Verstand und Gefühl mal zueinander passen....