Innerlich nicht abschließen können

      Innerlich nicht abschließen können

      Hallo ihr,
      ich hab eine Weile überlegt, ob ich schreiben sollte- aber vielleicht hat der eine oder andere eine Idee.

      Vor inzwischen genau einem Jahr bin ich mit ES und PTBS in eine psychosomatische Klinik gegangen für mehrere Monate. Die Station und Klinik ist eigentlich vorallem auf ES spezialisiert, im Internet damals hatten sie aber als Therapieangebot auch PTBS notiert- der Grund, weshalb ich mich unter anderem auch dafür entschieden habe. Die Bezugstherapeutin hat dort traumafokussiert mit mir gearbeitet, was schließlich meinem Wunsch entsprochen hatte. Was ich selbstverständlich vorher nicht wusste, ist, dass die Klinik eigentlich nicht wirklich PTBS als Angebot ausgibt. Zwar steht es weiterhin in der Webpräsenz, aber es wurde seitens der Klinik inoffiziell ausgesagt nach Nachfrage, dass die Klinik das eigentlich nicht stemmen kann. Die Therapeutin war dort nämlich die einzige Fachkraft in der Richtung und arbeitete verhaltenstherapeutisch nur nach Buch. Ein paar wenige Mitpatienten waren mit derselben Konstellation da und beschrieben exakt die gleichen Behandlungsschritte innerhalb teilweise sehr kurzer Zeitspanne. Von Individualität bezüglich des Ablaufes war da keine wirkliche Spur bei ihr.
      Ich hab das erste Mal richtig vom Trauma erzählt und bin von vornherein mit einem Vertrauensbonus ihr gegenüber gestartet, weil ich die Klinik als meine Chance begriffen hatte (hat bei der ES, die nicht Inhalt der Einzeltherapie war, auch sehr positiv geklappt. Da hab ich viel gelernt und sehr viel hinter mir gelassen). Aber mit fortgeschrittener Zeit und deutlich zunehmender Instabilität, SVV etc. hatte ich der Therapeutin gesagt, dass ich nicht weiter arbeiten kann. Dass ich Stabilität dringend brauche. Auf ihrem Programm stand dennoch Konfrontation mit dem Trauma, um gefühlt jeden Preis- dies war knapp 3 Wochen vor geplanter Entlassung. Mein Vertrauen war schon ziemlich angekrümelt, ist aber wirklich heftig zerstört worden, als die Therapeutin weiter vordringen wollte in die Konfrontation und dafür oft einsetzende Dissoziationen bewusst unterbrechen wollte von außen (durch kaltes Wasser über einen schütten oder am Ohr Sirenentöne oder ähnliches). Zuvor hatten wir bzw. sowas hat sie mich immer alleine machen lassen ohne ihre Anwesenheit- erarbeitet, wie sich eine Disso bei mir, sofern ich es merke, ankündigt und was ich zur Vermeidung tun könnte. Als sie den Vorschlag vortrug und ebenso in einer Visite, bei der ich erst direkt zuvor eine PA hatte und emotional total neben mir stand, wollte sie diese nächsten Schritte bezüglich der Konfrontation festnageln. Die Visite wurde zum Glück von der Oberärztin unterbrochen, in dem sie auch die Therapeutin ein wenig in die Schranken gewiesen hat.
      Der Sinn stand mir nur nach Stabilisierung, weil ich schließlich in absehbarer Zeit entlassen wurde und in der letzten Woche nichts mehr passiert an Therapieinhalten- einen Wunsch, den ich auch bei allen Stellen, Pflege, Visite, Therapeuten geäußert habe.
      Aber eingetreten ist was völlig anderes- in der Klinik fanden parallel Umstrukturierungen statt. Die Privatversicherten mit einer ES wurden von den gesetzlichen getrennt und nur eine Therapeutin, die die ich damals hatte, sollte nur noch für Privatversicherte zuständig sind. Als gesetzlich Versicherte hatte ich sie frühzeitig, vor der Konfrontation, gefragt, ob ich auch davon betroffen sein werde. Dies hat sie verneint und mir versprochen. An meinem Geburtstag (einen Tag nach der abgebrochenen Visite) teilte sie mir, nicht mal in einer Stunde, sondern einfach so mit, dass ich sofort wechseln werde. Die Therapeutin und die Gruppe. Sofortiges Abbrechen der Traumatherapie, weil sie nur noch für Private zuständig sei. Der Tag war für mich gelaufen ebenso wie der nächste, wodurch es bei mir zu SVV, Dissos und mehr kam und sie- zu dem Zeitpunkt irgendwie doch noch zuständig für mich- mich in die Dauerbeobachtung, quasi Isolierung für den Tag steckte. Die Woche darauf, nach einem Einzel bei der neuen Therapeutin, in dem ich nur geweint habe, kam die alte Therapeutin und teilte mir mit, dass ich zurück wechseln werde zu ihr, weil sie gerade einen Platz frei hatte. Es folgten- zwei Wochen vor Entlassung- keine Stabilisierung, sondern eher Geplänkel. Zwar hatte die alte Therapeutin sich entschuldigt bei mir, aber Vertrauen wiederaufbauen...? Es folgte die Entlassung und nach einiger Zeit meine Entscheidung, für eine Intervallbehandlung bezüglich der Essstörungsthematik und PTBS nicht zurück in diese Klinik zu kehren.

      Langer Text, ich weiß, das tut mir auch leid. Das alles ist nun ein 3/4 bis 1 Jahr her und ich kann aber nicht abschließen. Ich wohne 1 Stunde entfernt von der Klinik, meine Freundin noch näher dran- kürzlich habe ich die alte Therapeutin zufällig gesehen als ich bei meiner Freundin war, die andere Therapeutin wohnt dummerweise in meiner Stadt und die ist leider nicht super groß etc. Ich kann partout nicht abschließen, meist denke ich täglich an die Klinik und an meine Verzweifelung und besonders wirkt sich das auf meine ambulante Therapie aus, wo ich meiner Therapeutin trotz so langer Zeit bei ihr vom Trauma fast nichts erzählen kann, weil mein Vertrauen zu kaputt gegangen ist in der Klinik. Ich hab das in der letzten Stunde bei ihr angesprochen, dass ich nicht abschließen kann mit der Therapie in der Klinik und den ganzen inneren Verletzungen dort- über eine etwaige Lösung dazu haben wir nicht gesprochen aus zeitlichen Gründen. Nun hat meine Therapeutin 3 Wochen Urlaub und ich weiß nicht so recht, was ich anfangen soll.
      In den Sinn käme mir, vielleicht die Akten einsehen zu wollen- weiß aber, dass die Therapeuten alles schwärzen dürfen und im Zweifelsfall nur Diagnose und Medikamention etc. übrig bleibt- zeitgleich weiß ich nicht, ob ich ihre Notizen überhaupt sehen will. Ob ich die alte Therapeutin überhaupt sehen will oder wie ich das so schaffe, damit es endlich aufhört, ständig über diese dämliche Therapie bei der nachdenken zu müssen.
      Vielleicht habt ihr Ideen dazu..

      Zumindest danke fürs Lesen,
      viele Grüße,
      alwalo
      Urlaub ist die Zeit
      in der die Seele Luft holt
      und den Problemen
      einen frischen Wind verpasst
      Hey,

      hast Du es vielleicht schon in Betracht gezogen einen Brief an sie zu richten? Das ist natürlich eigentlich die banalste Idee, aber ich finde immer noch eine sehr effektive Sache. Ich würde das für mich so wählen, damit ich auch weiß, dass ich a) denjenigen darüber informiert habe, wie sein Verhalten bei mir ankam und nicht ständig nur selbst alles immer wieder durchkaue, sondern auch aktiv handeln kann und b) es auch wegschreiben kann.
      den Brief würde ich in der Form aufbauen, dass ich einfach mit konkreter Anrede schilder, wie etwas gewirkt hat. Natürlich nicht in vorwurfsvoller Art, aber doch eben so bestimmt, dass sie weiß, dass es eben ihr Verhalten war, das bestimmte Auswirkungen hatte. Abschließen würde ich sinngemäß mit etwas, das nochmal betont, warum Du den Brief geschrieben hast und dass es Dir nicht darum geht, das mit ihr zu klären, sondern ihr mitzuteilen, wie es Dir ergangen ist und damit abzuschließen. Vermeiden würde ich aber solche Formulierungen wie "Wegen Ihnen..." oder dergleichen, weil ich persönlich das zu direkt fände.

      Mir würde so ein Brief helfen, weil ich damit auch deutlich ein Zeichen setze und nachträglich meine eigenen Grenzen nochmal verteidige, was ich einfach als sehr wichtig empfinde, das auch nochmal klar zu machen. Manchmal klappt das sogar, ohne, dass man den Brief wirklich abschickt. Ich habe solche Briefe auch schon geschrieben und anschließend verbrannt. Aber da müsste jeder selber schauen, wie es ihm helfen kann. Erstmal schreiben und dann eine Weile liegeben lassen, ist aber in jeden Fall anzuraten. So kann man ihn nochmal mit Abstand lesen und dann entscheiden, ob man ihn abschickt oder weglegt oder wegwirft/schreddert/wasauchimmer.

      Naja, das ist jetzt eben nur eine Möglichkeit und löst vielleicht ja auch nicht alle Probleme, zumindest nicht das der örtlichen Nähe. Ich weiß nicht, ob ein solcher Brief da alles auflösen kann.
      Hallo alwalo.

      Vor ein paar Jahren habe ich stationär auch - sagen wir, schlechte Erfahrungen gemacht. Anders als deine, aber mit ähnlichen Auswirkungen.

      Klirrs Idee einen Brief zu schreiben, finde ich gut. Mir persönlich hat zu schreiben generell ziemlich geholfen.
      Ob die Akten einzusehen gut wäre, da bin ich allerdings nicht so sicher. Den Gedanken hatte ich auch, habe es allerdings nie getan. Einen ausführlichen Bericht aus der Klinik habe ich gelesen und später meiner letzten Therapeutin gezeigt. Kurz gesagt war schon der ziemlich unprofessionell. Natürlich weiß ich nicht, ob es bei dir genauso wäre, aber man kann wohl davon ausgehen, dass die Aktenführung ähnlich katastrophal wie die Arbeitsweise ist und im schlimmsten Fall wühlt so etwas zu lesen dann nur noch mehr auf und ich weiß nicht, ob der Versuch das Risiko wirklich wert ist.

      Ganz abgeschlossen habe ich mit der Zeit heute noch nicht, dafür sind die Folgen zu gravierend, was mir aber - neben dem Schreiben - noch geholfen hat war, das dort erlebte und was es so mit sich brachte, in einer Therapie ein Stück weit zu analysieren und aufzuarbeiten. Es war eine ziemliche Überwindung und es hat gedauert, aber ich denke, es war eine gute Entscheidung.
      Vielleicht kannst du ja beim nächsten Mal noch mal mit deiner Therapeutin darüber sprechen, auch mit dem Ziel herauszufinden, wie du am besten weiter vor- und damit umgehst? Das hilft dir in den nächsten drei Wochen natürlich nicht, aber in der Zeit im Alleingang eine direkte Konfrontation mit einem Ort und Menschen, an dem und durch die möglicherweise eine Retraumatisierung stattgefunden hat, zu versuchen, kann ein noch größeres Risiko sein als der Inhalt der Akten.
      Vielleicht wäre Stabilisierung eine Idee für diese Zeit? Dich gezielt um dich zu kümmern, Skills, Stabilisierungstechniken,... Darüber zu schreiben, wenn es zu präsent ist, um es dann erst mal wegzupacken, soweit das möglich ist, um die Zeit zu überbrücken bis zu dich nicht mehr allein damit auseinandersetzen musst.

      Lieber Gruß
      Paula