Was, wenn alles nur inszeniert war?

      Was, wenn alles nur inszeniert war?

      Hallo zusammen.

      Ich habe in den letzten Wochen und Monaten vermehrt darüber nachgedacht, wo die Ursachen meiner Probleme liegen. Ich kann nicht akzeptieren, dass es keine geben soll und ich glaube das auch nicht. Das Ergebnis, dass sich nun immer klarer herauskristallisiert, macht mir eine scheiß Angst und erfüllt mich mit Scham und Hass gegen mich selbst: Kurz gesagt: Ich habe immer mehr das Gefühl, als seien alle Probleme nur eine Show gewesen. Ein inszeniertes Theater, ein selbst verschuldetes Drama.
      Ich hatte die perfekte Kindheit und habe super tolle Eltern und Geschwister. Da ist nichts, was Ursache liefert. Und was mache ich aus diesen perfekten Startbedingungen? Nichts. Ich habe so viel nicht getan und so viel kaputt gemacht wegen: Nichts. Am Anfang, so mit 12, 13 Jahren mag es meinetwegen noch die Pubertät gewesen sein. Da sind Stimmungsschwankungen und depressive Phasen ja bis zu einem gewissen Grad normal (ohne das jetzt abwerten zu wollen, ich sage nicht, dass man darunter nicht auch leiden kann), die wenigsten bleiben davon verschont. Aber an irgendeinem Punkt muss sich das verfestigt haben. Ich denke, ich habe vielleicht gemerkt, dass ich daduch Aufmerksamkeit bekomme. Das widert mich an, weil ich nie zu wenig Aufmerksamkeit von meinen Eltern hatte und auch nie ganz ohne Freunde war. Vermutlich war ich einfach maßlos und gierig. Vermutlich habe ich auch gemerkt, dass ich dadurch etwas besonderes bin. Ich habe in dieser Phase darunter gelitten, nichts besonders gut zu können, mittelmäßig zu sein. Und da sind psychische "Probleme" schon verdammt praktisch. Davon abgesehen konnte und kann ich mich dadurch auch auf nicht oder schlecht erbrachten Leistungen ausruhen. Als gesunder Mensch hätte das Ärger gegeben, aber wenn ich vorgebe, krank zu sein, dann ist es ja sogar eine tolle Leistung, überhaupt irgendwas zu schaffen, egal wie schlecht. Es wird Rücksicht genommen. Vielleicht fand ich es auch einfach nur cool, mich zu verl*tz*n?
      Ich kann mich nicht gut erinnern. Aber in mir drängt sich das Gefühl auf, als sei alles inszeniert und geplant gewese, die Abstürze, die Klinikaufenthalte. Ich habe allen etwas vorgespielt. Ich bin vermutlich einfach nur eine Lügnerin. Die Konsequenzen konnte ich damals nicht überblicken. Es geschieht mir aber dennoch recht, wenn ich sie nun tragen muss. Ich habe jahrelang Therapie gemacht und niemals hat das ein Therapeut angesprochen, selbst die muss ich also getäuscht haben. Ich habe oft gesagt, dass ich nicht weiß, warum es mir schlecht geht und dann haben wir irgendwelche Kleinigkeiten gesucht. Aber eben Kleinigkeiten, nichts, was solche psychischen Probleme erklären würde.
      Dieses Gefühl kommt ja nicht aus dem Nichts. Es muss doch etwas wahres daran sein, wenn ich es so stark und so beschämend empfinde. Es ist eine logische Erklärung.
      Aber was soll ich jetzt tun? Wenn ich so von grund auf falsch bin, wie kann ich dafür sorgen, dass ich nicht weiterhin so handle? Ich frage mich, ob ein erster Schritt wäre, die Antidepressiva abzusetzen. Um ein Zeichen zu setzen, um richtig zu stellen, dass ich gesund bin, dass ich mir nur etwas erschlichen habe, was mir nicht zusteht.
      Ein Teil in mir hofft, dass das nicht stimmt. Ich hatte mich bisher nicht für in solchem Maße verlogen und manipulativ gehalten. Aber ich nehme an, dass diese Hoffnung nur eine Schutzfunktion ist, um der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Das würde auch erklären, warum ich nicht gern zurückschaue und mich nicht gern erinnere: Eben damit ich die Lüge nicht enttarne.
      Ich weiß gar nicht mehr, was ich glauben soll. Wenn ich mich nicht mehr auf meine Wahrnehmung und auf mein Empfinden verlassen kann - worauf denn dann? Irgendetwas bricht in mir ein und ich schäme mich so. Wenn das jemand herausfindet, meine Eltern, mein Freund...sie werden wütend sein, mich vielleicht hassen, weil ich ihnen unnötig Sorgen bereitet habe. Nur aus Spaß oder Bequemlichkeit oder Aufmerksamkeitssucht.

      Es fällt mir diesmal schwer, das abzuschicken. Weil ich mich schäme und Angst vor Vorwürfen habe. Irgendwie will ich das alles nicht wahrhaben. Aber ich weiß nicht, wem ich das sonst sagen soll. Was soll ich jetzt tun und was soll und kann ich jetzt überhaupt noch glauben? Wer bin ich?

      Es tut mir Leid, falls das nicht verständlich ist.

      Liebe Grüße,
      Fylgja.
      Liebe Fylgja,

      ich kann deine Ängste nachvollziehen. Gerade in Kliniken trifft man immer Menschen, denen es schlechter geht, die schlimmeres erlebt haben, die "wirklich" krank sind. Und dann schaut man auf sich und denkt: "Mensch ich sollte mich echt zusammen reißen, eigentlich bin ich doch gar nicht so krank." Mir ist das gerade in Kliniken immer wieder aufgefallen.. Vielleicht hast du da ähliche Erfahrungen gemacht? Aber auch dort gibt es immer wieder Menschen, die ihre Probleme "aufbauschen" und man weiß nie, was wirklich wahr ist und wirklich "schlimm" war usw.. Aber muss man das denn wissen? Muss man denn ein "Recht" darauf haben, krank sein zu dürfen? Braucht man da eine sinnvolle Begründung?

      Meine Einschätzung ist auf jeden Fall folgende: Nach all dem was du hier so schreibst glaube ich nicht, dass du nur eine Show machst. Ich glaube nicht, dass du dir, uns und allen anderen noch etwas vor machst, denn Fakt ist: Du leidest! Und das ist es worauf es immer wieder ankommt. Das Kriterien, wieso man einen Menschen behandeln sollte ist NICHT eine bestimmte Diagnose und allein der schweregrad einer Erkrankung, sondern der Leidensdruck! Wenn dieser hoch ist und der Mensch in seinem Leben beeinträchtigt ist, dann ist eine Behandlung notwendig! Es gibt Menschen, mit schwergradigen Diagnosen, die sich aber nicht behandeln lassen, weil sie sich irgendwie damit arrangiert haben. Und es gibt Menschen, bei denen weniger schweres diagnostiziert wird, die aber dringend behandelt werden müssen, da sie eben sehr stark darunter leiden! Wir Menschen sind alle verschieden. Der eine kommt hiermit gut klar, der andere nicht. Unser Umgang mit Problemen ist so vielschichtig und jeder geht seinen Weg. Da kann man nicht sagen, dass dieses oder jene Zipperlein schlimmer oder weniger schlimm ist für diese oder jene Person. Die Wahrnehmung des Einzelnen und vor allem auch der Umgang mit den Problemen ist sehr entscheidend! Und ich denke wir können uns auch gar nicht aussuchen, wie gut wir generell mit etwas umgehen können oder nicht. Klar, wir können es beeinflussen, an uns arbeiten, uns bemühen, aber trotzdem wird es immer Menschen geben, die mit manchen Dingen besser oder schlechter auskommen!

      Ich nehme sehr ernst was du schreibst und ich denke ich kann deine Zweifel verstehen und auch die Verzweilfung, die dahinter steckt. Aber es braucht keine schlimme Kindheit oder schlimme Ereignisse, um ein Problem zu haben, mit dem man alleine nicht zurecht kommt. Vielleicht kommen bei dir einfach viele kleine Dinge zusammen. Dinge, die du zum Teil als gar nicht so problematisch einstufst. Aber in der Summe sind sie eben doch sehr problematisch für dich und nicht so leicht zu bewältigen!
      Wenn du das Gefühl hast, dass du Aufmerksamkeit brauchst, dann ist das nichts Schlimmes. Ich weiß, ich muss mir das auch selbst immer wieder sagen ;) Ich schäme mich auf oft dafür, aber wieso eigentlich? Ich schenke anderen Menschen auch Aufmerksamkeit. Wieso sollst du es nicht verdient haben? Und wieso darfst du es nicht mehr brauchen als Andere? Was ist denn daran verkehrt? Und woher willst du bestimmen können, dass du immer genug Aufmerksamkeit hattest? Manche Menschen brauchen mehr davon, andere weniger. Das ist eben so. Das ist etwas, dass man nicht vergleichen kann!

      Ich zum Beispiel habe das Gefühl in meiner Kindheit zu wenig Aufmerksamkeit bekommen zu haben. Manche Therapeuten würden mir zustimmen, andere vielleicht nicht (es gibt immer so welche die nach dem Prinzip "stellen Sie sich nicht so an" arbeiten. Total daneben!). Und du hättest vielleicht doch etwas mehr gebraucht.. Aber wer weiß das schon? Eigentlich ist es auch unwichtig. Hätte, wäre, könnte..

      Du lebst JETZT und JETZT brauchst du Unterstützung, Aufmerksamkeit etc. Das ist ein Fakt und das ist okay so!

      Schau mal, selbst wenn du dich verletzt hättest um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen, dann sieht man doch allein daran schon, dass da etwas nicht stimmte! Menschen, die auf diese Art und Weise Aufmerksamkeit suchen, die haben das Gefühl sie anders nicht zu bekommen. Die brauchen sie so dringend, dass sie zu solchen Mitteln greifen. Ja, das ist verzweifelt, aber was ist daran so "erbärmlich"? Solche Menschen haben ein Problem und da stellt sich nicht die Frage, ob sie es nun verdient haben oder sich nur anstellen oder sonstwas. Sie brauchen Hilfe und die sollten sie auch bekommen! Dahinter kann doch so vieles stecken. Man braucht dafür keine Rechtfertigung!
      Selbst wenn alles geplant war (und ehrlich gesagt glaube ich das nicht) dann liegt es doch auf der Hand, dass dieses Verhalten ein Hilferuf war. Du wusstest dir nicht anders zu helfen, du konntest anders nicht mit der Situation umgehen. Das ist ein Problem, egal woher es stammt, und Probleme sind da, um sie zu lösen. Dafür darf man auch Hilfe suchen und annehmen!

      Ich mache auch schon jahrelang Therapien (inkl Klinikaufenthalte) und trotzdem kommt immer wieder das nächste Problem. Manchmal habe ich das Gefühl niemals ohne auszukommen und finde das sehr erschreckend und fühle mich schuldig. Aber wieso eigentlich? Ich tue Niemandem damit weh, ich verletzte Niemanden absichtlich, ich bemühe mich immer wieder, mache Fortschritte, mache Fehler, komme voran, gehe wieder einen Schritt zurück.. Ich finde an dieser Stelle passt dein Zitat aus Momo sehr gut. Schritt für Schritt. Auch langsam kommt man voran. Bewusst Schrittchen für Schrittchen. In deinem Tempo.

      Wieso sollte dir Hilfe nicht zustehen? Selbst wenn du auf "seltsame" Art nach Aufmerksamkeit geschrieen hast. Es gibt immer einen Grund dafür. Und ob dieser nun allgemein "anerkannt" ist, naja.. das ist ja immer Ansichtssache. Es ist nicht falsch zu verzweifeln. Das tun wir alle mal, jeder auf seine Art.

      Ob man wirklich "krank" ist, das ist immer definitionssache. Und ob Jemand dies oder jenes verdient ist nochmal schwieriger zu bestimmen.

      Ich glaube die Wahrheit ist, dass du das Gefühl hast hinter deinen Problemen müssten große, sichtbare Dinge stehen, die sie begründen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es Gründe gibt (vielleicht ganz viele kleine Dinge, die zusammen aber sehr viel sind und schwer zu bewältigen in ihrer Masse!). Ich glaube nicht, dass du "sinnlos" um Aufmerksamkeit schreist, aber selbst wenn, dann zeigt das doch, dass etwas mit dir nicht stimmt. Und ist das nicht schon "krank sein"?

      Was könnten deine Eltern und dein Freund herausfinden? Dass manche Ärzte sagen würden, dass du nicht sooo schlimm krank bist? Aber woran sollen sie das festmachen? Psychische Erkrankungen kann man schlecht messen und die Art und Weise wie stark sie vom Betroffenen empfunden werden kann NUR DIESER SELBST mitteilen. Da kann kein Arzt sagen: "Hören Sie mal, darunter können Sie doch gar nicht so sehr leiden." Dumme Ärzte sagen sowas. Aber woher wollen sie wissen wie sehr manche Dinge einen Menschen belasten können? Nur du selbst kannst sagen, wie sehr du unter deinen Problemen leidest. Und wenn du sie als Probleme wahrnimmst, dann sind es FÜR DICH Probleme und allein darum geht es doch.
      Wieso sollte man dich dafür hassen, dass dir Dinge schwer fallen? Das ist ja keine Lüge, es ist Fakt, dass du Schwierigkeiten hast. Ob diese nun begründet sind aufgrund einer Krankheit.. Eine Krankheit ist ja leider nur das was der Arzt von Außen diagnostizieren kann.. Von daher.. hm..

      Nur aus Spaß hast du sicherlich nicht um Aufmerksamkeit gebeten. Aufmerksamkeitssucht ist übrigens auch eine Krankheit.. Bequem bist du sicherlich nicht, denn du kämpfst, du bemühst dich, du kommst voran. Manchmal ist es ein Schritt vor und zwei zurück, aber dann geht es doch wieder voran..

      Natürlich ist es schwer das in seinen Kopf zu kriegen.. Ich weiß nicht, ob du mir meine Worte glauben kannst. Aber ich glaube du hast Angst, die Aufmerksamkeit nicht zu verdienen, all die Zuwendung durch Therapeuten etc. Bitte setz die Medikamente nicht ab. Es gibt einen Grund dafür, wieso du sie nimmst! Auch wenn du ihn gerade nicht sehen kannst! Er ist da. Du verdienst Aufmerksamkeit, Zuwendung, Unterstützung!

      Mach weiter, streng dich weiter an, gönne dir Pausen, achte darauf, was du brauchst, kommuniziere was du brauchst, fühl in dich rein. Du bist total verunsichert. Kein Wunder in dieser schwierigen Phase gerade!

      Ich glaube an dich! Zweifle nicht daran, dass es gute Gründe für deine Probleme gibt. Du bist keine Lügnerin.

      Liebe Grüße

      Grottenolm
      Hallo Fylgja,

      es ist in dem Fall so schon schwer hier als Außenstehender eine Position zu beziehen und anscheinend ist das für dich auch nicht gerade leicht.
      Ich kann hier schlecht zwischen Einbildung und eventueller Realität abgrenzen.
      Insgesamt klingt das auch nach einer schlechten Phase.
      Ursachen zufinden ist manchmal schwerer als erwartet.
      Vielleicht bist du einach Empathischer als andere, dann machen dir die Dinge mehr zu schaffen bspw.
      Weil du auf "Anhieb" nichts findest, muss dass nicht heißen, dass du dir alles eingebildet hast.
      Mit "logisch" lässt sich immer gut argumentieren, aber ein absolut fester roter Faden zieht sich auch nich unbedingt durch den Verlauf und "vermutlich" ist nur vermutlich.
      Sich daran fest zubeißen und sich einzureden, dass die Therapeutin "inkompetent" ist, hat nur die folge, dass du dich verschließt.
      Ich würde mich nicht an sowas festbeißen. Ich bin bspw erst nach einigerzeit auf was handfestes gestoßen und wirklich begründbares.

      Am besten hilft, egal wie es ist, nach vorne gucken, die Vergangenheit wird dich nicht mehr retten, heute will vergessen und morgen sind Träume.
      Ob du die Antidepressiva absetzen solltest musst du selbst entscheiden, die Folgen die damit verbunden sind musst du selbst abschätzen, aber für die Medikamenten vergabe sind ja die bekanntlich die Leute im weißen Kittel zuständig. Aber du bist jetz stark verunsichert, dass schlägt im ganzen Text schon durch. Solche schnellen und voreiligen Entschlüsse sollten jetzt besser nicht getroffen werden.

      Zum Abschluss kann ich dir vlt noch raten, damit erstmal deine Psychologin zu konfrontieren.

      Viel Glück
      Mit freundlichen Grüßen
      Basti
      "Das Schicksal verzichtet oft auf Kommentare, es begnügt sich damit, zuzuschlagen"
      Siegfired Lenz
      Hallo Fylgia

      Bei deinem Beitrag kam mir eine Idee.
      Ich möchte dir nun nicht irgendwie Angst machen aber wenn du gerne die Gründe wissen möchtest, warum du psychisch krank bist, dann wäre es vielleicht gut, wenn du dich einmal mit deinen Eltern austauschen könntest?

      Das ist vielleicht eine sehr vage "Vermutung" aber könnte vielleicht auch ein Grund sein.

      Es ist inzwischen wirtschaftlich bewiesen, dass es das sogenannte vorgeburtliche Trauma gibt.

      Vielleicht wäre das noch ein Ansatz?
      Mit deinen Eltern darüber zu reden, als deine Mutter mit dir schwanger war, etwas passiert war?

      Gruß

      Darkness
      Geb ich auch mal meinen senf dazu.
      Bis vor ungefähr 1- 3/4 jahr hab ich sehr ähnlich über mich gedacht. Ich bin nicht traumatisiert, habe gute eltern usw.
      Aber letzendlich ist es fas nie nur ein großer auslöser. Es sind oft viele kleine bis mittelgroße sachen, die sich aufstauen, an einem nagen. Pubertät ist dann vielleicht der letzte auslöser, der tropfen der das fass zum überlaufen bringt, aber das fass war ja schon fast voll.
      Und sobald du erstmal damit anfängst dich zu verletzen o.ä. und merkst "hey, das hilft (wie kurzfristig auch immer)/bringt mir aufmerksamkeit" wirst du irgendwann anfangen dich auch dann zu verletzen wenns eigentlich nicht so schlimm ist bis zu dem punkt wo du keinen grund mehr brauchst. Das symptom entwickelt quasi ein eigenleben und hat wenig bis gar nichts mehr mit dem auslöser zu tun.

      Also was für probleme/auslöser du damals auch immer hattest, jetzt geht es dir nicht gut und ich schließe mich meinen vorrednern an, dass du deine medis nicht absetzen solltest. Denn jetzt ist nicht wichtig wie es dir damals ging sondern wie es dir JETZT geht.

      liebe fylgja,

      was ist die ursache eines problems - und welchen sinn macht es, darüber immer und immer wieder nachzudenken? und vor allem, wenn daraus die frage wird, ob diese (vermeintlich kleine) ursache dieses (vermeintlich große) problem in dieser form zur folge haben darf/kann/muss oder nicht...?

      vielleicht sind die ursachen für deine probleme vermeintlich "klein". vielleicht sind deine probleme trotzdem "groß", und vielleicht merkst du in zehn jahren, wenn du immer noch jung bist, und beruf, kinder/hunde/katzen und mann / frau / wasauchimmer hast, dass die probleme so groß doch auch gar nicht waren, wie sie vor fünf jahren noch aussahen, weil dir dann noch fünfzig lebensjahre bevorstehen, in denen du sie sehr gut im griff hast.

      die ursache unserer probleme sind wir selbst, immer. die art wie wir die welt wahrnehmen, wie wir fühlen, wie wir uns und andere verorten. da gibt es dann die resilienten unter uns, die vermeintlich "große" ursachen für ihre probleme erstaunlich leichtfüßig überwinden, und da gibt es wenig resiliente unter uns, die mit vermeintlich "kleinen" ursachen sehr zu kämpfen haben.

      ob die ursachen groß oder klein sind, spielt keine rolle und ist sowieso eine frage des standpunktes und der betrachtungsweise. krass gesagt: "jemand, der nicht jeden tag 20 stunden auf den beinen ist, um sich halbwegs sauberes trinkwasser zu besorgen, hat auf keinen fall probleme" versus "mein fingernagel ist abgebrochen, das IST ein traumatisches erlebnis!". ich würde mir gegenüber anderen nie anmaßen zu urteilen, ob die ursachen "so groß" sind, dass das problem "auch so groß" sein darf. du würdest dir das gegenüber jemand anderem auch nicht anmaßen (okay, das fingernagel beispiel oben ist natürlich wirklich die krasse ausnahme ;) ).

      also warum dir selbst gegenüber? deine probleme, gefühle, gedanken sind da. radikale akzeptanz, und dann nach vorn schauen, denn das graben in der vergangenheit nagelt dich dort fest, anstatt dass du voran gehen kannst. schau, dass du dein leben so hinbekommst, dass du dich wohl damit fühlst, dass du die meiste zeit zufrieden und glücklich sein kannst, dass du in dir ruhst und dir nicht regelmäßig den kopf darüber zerbrichst, ob du so okay bist, wie du bist; ob du zurecht oder unrecht empfindest was du empfindest, sondern stell einfach fest, okay, so bin ich, was mache ich draus. btw: die leute die dich lieben, wollen dich glücklich sehen. jetzt. die wollen nicht drüber nachdenken, ob du vor 5 jahren unter umständen weniger unglücklich hättest sein können, falls du... ja was?

      du hast dieses eine leben (vermutlich). entweder verbringst du jetzt auch die nächsten 25 jahre damit dich zu fragen, ob das alles okay oder nicht okay, berechtigt, sehr berechtigt, weniger berechtigt oder sonstwas war, oder du lebst dein leben, versuchst in dir zu ruhen, das für dich richtige zu tun und viel zu lachen, das schöne mitzunehmen und hin und wieder ein bonbon zu verschenken, damit sich jemand anderes freut. und stellst in 25 jahren vielleicht in der rückschau fest, dass du jetzt genau so lange nicht alles zergrübelt hast, wie du es vorher zergrübelt hast, und dass dann, im verhältnis zu den leuten, die auch mit 30, 40, 50, 60, 70 ihr leben überhaupt nicht im griff haben und todunglücklich und zerfressen sind, dein weg ganz in ordnung war.

      lg
      solaine
      "But isn't that life for us all? Trusting to luck?"
      "You can always try to give luck a helping hand", she said.
      //william boyd//


      Dieser Beitrag wurde bereits 3 mal editiert, zuletzt von „solaine“ ()

      Hallo zusammen,

      und vielen lieben Dank für eure Antworten. Bitte entschuldigt, dass ich mich erst jetzt melde. Mir war das alles zu viel und ich musste erstmal ein paar Tage Abstand von dem Thema bekommen. Zumla ich Prüfungen habe und nicht will, dass der Psychokram da jetzt zu sehr dazwischen funkt.
      Danke nochmal an Chrissie, fürs Bescheid geben in meinem Abmeldethread.

      Also, was ich zunächst loswerden will: Ich habe das Gefühl, dass es vielleicht so wirkt, als würde ich unbedingt eine schlimme Kindheit oder ein traumatisches Erlebnis haben wollen. Dem ist nicht so. Was ich will, ist den Grund für meine Probleme zu erfahren bzw. ich habe einfach kein Verständnis dafür, dass ich krank geworden bin und frage mich deshalb, ob ich wirklich krank war und bin. Gerade bei psychischen Problemen verläuft da die Grenze meiner Meinung nach ja sehr unscharf. Was ist noch "normal" und was ist schon krank? Was kann man selbst beeinflussen und was nicht? etc.
      Ich will auf jede Antwort einzeln eingehen, aber zunächst mal die Quintessenz meiner Gedanken der letzten Tage, die sich aus euren Antworten und Gesprächen mit einer weiteren Person ergeben haben: Ich habe bei diesem Thema wieder sehr stark eine schwarz-weiß-Sicht. Entweder bin ich krank und ich kann für gar nichts etwas und habe alle Hilfe verdient und alles war schlimm oder ich bin kerngesund, trage für alles was passiert ist, die volle Verantwortung, habe keine Hilfe verdient und sowieso alles nur dramatisiert. Dass vielleicht alles ein bisschen stimmt, das ist für mich schwer zu verstehen und zu akzeptieren. Aber immerhin habe ich jetzt die Erkentnis, dass ich da nicht nur die Extreme gelten lassen darf.
      Auch wenn ich nicht das Gefühl habe, mich so ganz deutlich ausdrücken zu können im Moment:

      @Grottenolm
      Ich denke, du hast Recht damit, wenn du sagst, dass jeder mit Problemen anders umgeht und die anders wahrnimmt. Das heißt für mich, dass ich eben ein Mensch bin, der gar keine Resilienz hat. Und das sehe ich als persönliche Schwäche an. Wenn das keine Ursachen hat, dann bin das eben einfach ich. Womit ich nicht meine, dass ich nicht dran arbeiten sollte. Trotzdem ist mir das aunangenehm, so zu sein.

      Grottenolm schrieb:

      Ich mache auch schon jahrelang Therapien (inkl Klinikaufenthalte) und trotzdem kommt immer wieder das nächste Problem. Manchmal habe ich das Gefühl niemals ohne auszukommen und finde das sehr erschreckend und fühle mich schuldig.

      Ja, genau so empfinde ich im Moment auch.

      Grottenolm schrieb:

      Ich glaube die Wahrheit ist, dass du das Gefühl hast hinter deinen Problemen müssten große, sichtbare Dinge stehen, die sie begründen.
      Ja, eben. Damit ich eine Antwort auf das Warum habe. Wenn ich jemandem von meinen Problemen erzähle, werde ich so gut wie immer nach dem Warum gefragt. Und so richtig kann ich das oft nicht beantworten. Vielleicht muss ich auch einfach akzeptieren, dass es so ist? Bei anderen Krankheiten gibt es auf diese Frage ja auch oft keine eindeutige Antwort.
      Und danke für deine lieben, aufbauenden Worte.

      @RisingPerception

      RisingPerception schrieb:

      Weil du auf "Anhieb" nichts findest, muss dass nicht heißen, dass du dir alles eingebildet hast.

      Naja, auf "Anhieb" wäre es ja auch nicht. Ich habe viele Jahre Therapie gemacht und irgendwie nie eine richtige Antwort für mich gefunden. Aber vielleicht gibt es die auch nicht. Vielleicht muss ich das akzeptieren.
      Es war gut, dass du geschrieben hast, dass man so Sachen wie die Medikamention nicht voreilig ändern sollte. Ich habe es auch nicht getan und im Moment bin ich wieder "vernünftig" genug dazu, es zu lassen. Zumindest, bis die Prüfungen rum sind, dann kann ich ja immer noch drüber nachdenken.
      Eine Psychologin habe ich im Moment nicht, aber evtl. spreche ich das bei meiner Psychiaterin an bzw. muss ich ja sowieso, falls ich die Medikamention beenden will.

      @darkness
      Deine Idee ist grundsätzlich nicht schlecht, das wurde aber vor Jahren ausgeschlossen. Während des letzten Klinikaufenthaltes vor einigen Jahren hatte ich ein sehr gutes Elterngespräch, bei dem genau das das Ziel der Therapeuten war; also herauszufinden, ob da was war. Wir alle, also meine Eltern, meine Therapeuten und ich sind zu dem Schluss gekommen, dass man das ausschließen kann. Was in Frage kommt, ist, dass meine Mutter während der Schwangerschaft wegen der Lebensumstände vielleicht vermehrt Stresshormone produziert hat und angeblich kann das bei ungeborenen Kindern dazu führen, dass sie dann später grundsätzlich mehr Stresshormone produzieren. Ich weiß es nicht, sowas kann man ja nicht rausfinden. Und natürlich gebe ich da auch meinen Eltern überhaupt keine Schuld. Vielleicht ist das einer von vielen Faktoren. Oder auch nicht, wer weiß.

      @Flippy
      Danke für deinen Erfahrungswert. Ja, vielleicht kann das einfach die Antwort sein: Dass es keine klare und eindeutige Antwort gibt, nicht einen Grund und fertig.

      Flippy schrieb:

      Denn jetzt ist nicht wichtig wie es dir damals ging sondern wie es dir JETZT geht

      Ja, irgendwie habe ich wohl doch einfach das Gefühl, dass ich eine Berechtigung brauche, Hilfe zu bekommen. Aber vielleicht muss ich doch nochmal drüber nachdenken, ob nicht die einfache Tatsache, dass es mir nicht gut geht, die Hilfe rechtfertigt. Hm, vermutlich schon.

      @solaine

      solaine schrieb:

      und vielleicht merkst du in zehn jahren, wenn du immer noch jung bist, und beruf, kinder/hunde/katzen und mann / frau / wasauchimmer hast, dass die probleme so groß doch auch gar nicht waren, wie sie vor fünf jahren noch aussahen, weil dir dann noch fünfzig lebensjahre bevorstehen, in denen du sie sehr gut im griff hast.

      Vielleicht verstehe ich dich einfach falsch, aber genau das ist doch, was ich im Moment mache: Ich schaue zurück und frage mich, ob meine Probleme eben doch nicht so groß waren. Ob ich da nicht eben dramatisiert habe. Und ob dann daraus folgt, dass sie jetzt auch nicht so schlimm sind.

      solaine schrieb:

      deine probleme, gefühle, gedanken sind da. radikale akzeptanz, und dann nach vorn schauen, denn das graben in der vergangenheit nagelt dich dort fest, anstatt dass du voran gehen kannst.

      Ja, aber zum einen ist es doch normal, dass man sich nach dem WArum fragt und dann denke ich, dass es schon hilfreich sein kann, in der Vergangenheit zu graben. Ich glaube, wenn man Ursachen kennt, kann man besser an Problemen arbeiten. Vielleicht will ich auch nur, dass es so ist.
      Aber natürlich gebe ich dir recht, dass man auch zu viel nach hinten schauen kann. Nur einfach so sein Leben zu leben und dabei möglichst glücklich zu sein - eben das finde ich nicht einfach, eben das bekomme ich trotz Hilfe so oft nicht hin. Und es liegt sicher nicht daran, dass ich nicht gerne ein glückliches Leben hätte oder dass ich die Hände in den Schoß lege und warte, dass es vom Himmel fällt. Und irgendwie muss da doch ein Grund sein, warum ich das nicht hinbekomme. Denke ich mir. Vielleicht aber auch nicht. Ich weiß es nicht. Und wenn da kein Grund ist, dann muss ich mich ja selber irgendwie manipulieren - so zumindest mein Gedankengang, der zu diesem Thread geführt hat. Aber vielleicht gibt es keinen Grund und vielleicht sollte ich wirklich mehr nach vorne schauen. Ich will ja auch, ich weiß, dass ich die Vergangenheit nicht ändern kann. Aber mein blick wird trotzdem oft auf das gezogen, was ich alles falsch gemacht habe. Vielleicht da mehr Achtsamkeit um meine Gedanken besser zu lenken?


      Danke euch allen nochmal für eure Mühe, fürs Lesen und Antworten.

      Liebe Grüße,
      Fylgja.
      Die Frage nach dem "warum" stelle ich mir ebenso wie du Fylgja. Meine Kindheit war nicht einfach ABER... gibt es das nicht so oft? Ich meine... wäre das die Antwort auf all meine Probleme, dann müsste doch jeder zweite Mensch mit Narben durch die Gegend laufen. Also denke ich mir auch, dass ich besser damit klarkommen müsste. Selbst mein Freund meint, dass ich nicht so sein müsste wie ich bin. Ich weiß auch nicht so recht wie ich darüber denken soll... "schwarz und weiß"... entweder bin ich krank und hab Hilfe verdient oder ich bin es nicht und sollte endlich den Arsch hochbekommen und aufhören in meinen Gefühlen eine Entschuldigung für alles mögliche zu suchen.
      Hach... ich versteh dich.

      Fylgja schrieb:


      @solaine

      solaine schrieb:

      und vielleicht merkst du in zehn jahren, wenn du immer noch jung bist, und beruf, kinder/hunde/katzen und mann / frau / wasauchimmer hast, dass die probleme so groß doch auch gar nicht waren, wie sie vor fünf jahren noch aussahen, weil dir dann noch fünfzig lebensjahre bevorstehen, in denen du sie sehr gut im griff hast.

      Vielleicht verstehe ich dich einfach falsch,


      ja, tust du ;) ich glaube, dass man generell erst in der rückschau sagen kann, wie groß ein problem wirklich war, dh wenn man es gelöst oder überwunden hat. in dem moment, in dem es einen trifft, und je mehr es einen trifft, kann man es nur als riesig empfinden. mit etwas zeitlichem abstand kann sich das dann geben, oder eben nicht. und je resilienter man ist, um so schneller schafft man den schritt raus aus dem akuten und hin zu einer rückblende. deswegen denke ich, dass es jetzt, wo du im prinzip ja noch mitten im dich "unwohl-fühlen" mit dir bist, du gar nicht erkennen kannst, ob das ein großes oder mittelgroßes problem ist. und deswegen würde ich schon sagen, dass es hilft, das sein zu verändern, also zb die gedanken, die du dir gerade akut machst, zu stoppen bzw mit positiven/neutralen zu ersetzen, bis sich wirklich die gedanken, das bewusstsein verändern.


      Aber vielleicht gibt es keinen Grund und vielleicht sollte ich wirklich mehr nach vorne schauen. Ich will ja auch, ich weiß, dass ich die Vergangenheit nicht ändern kann. Aber mein blick wird trotzdem oft auf das gezogen, was ich alles falsch gemacht habe.


      was ich dir zu sagen versuche ist, es gibt mit sicherheit gründe, es gibt immer gründe dafür, wie wir sind und denken und handeln. aber vielleicht sind die so komplex, dass du noch ein paar jahre brauchst, um sie zu verstehen, und vielleicht findest du sie auch nie, oder du kannst sie nur einfach im moment nicht sehen, zum beispiel weil du dir ja durch diese strenge mit dir selbst quasi schon verbietest, irgendwas als grund zu sehen, was deiner meinung nach ein "unsinniger" grund ist.

      fakt ist, egal welche gründe es sind, es geht dir im moment nicht gut. und das ist meiner meinung nach der startpunkt um was zu verändern. die suche nach einer "wahrheit", die dem zugrunde liegt, da sind schon philosophen dran gescheitert. ich versuch es mal andersrum: wenn man versucht rauszufinden, warum zb resiliente menschen bestimmte dinge so gut "verarbeiten", stößt man zum teil auch auf individuelle strategien, die mit bewusster verarbeitung im sinne einer therapie nichts zu tun haben. aber wenn es diesen menschen doch hilft und sie deswegen glücklich leben können? müssen sie dann trotzdem nochmal die gründe ausgraben, warum es ihnen eigentlich schlecht gehen könnte, das reflektieren und darlegen, wie das nun kommt, dass es ihnen nicht schlecht geht? das würde man ja auch kaum von ihnen verlangen. ich glaube inzwischen, dass an dem satz "das sein bestimmt das bewusstsein" sehr viel dran ist. wir können zb schlechte gedanken beeinflussen und stoppen oder uns nett zu uns selbst verhalten, uns abwertung verbieten (ja, braucht übung), und mit der zeit wird das auch zu einem milderen blick auf sich selbst und zu weniger negativen gedanken führen.

      dazu passt dann auch der satz
      Aber mein blick wird trotzdem oft auf das gezogen, was ich alles falsch gemacht habe.


      warum immer diese wertung? du hast das gemacht. ist so. danach erschien es dir falsch. aber du hattest gründe das so zu machen, und wenn es nicht gut für dich war ist es umso besser, wenn du es heute anders machen würdest. ja, und manchmal hat man auch gründe, die vielleicht nicht so clever sind, oder gar keine und macht dinge trotzdem. auch hier kann achtsamkeit helfen, nicht werten, sondern wahr- und annehmen. und irgendwann wird man dann sich selbst gegenüber etwas gnädiger und sagt "hab ich halt damals gemacht. würde ich heute nicht mehr so machen." anstatt "was ich alles falsch gemacht habe." und erst mit diesem blickwinkel erschließen sich dann vielleicht auch mehr gründe, weil man sich nicht für alles, was man getan hat, vor sich selbst rechtfertigen und sich wieder von sich selbst verurteilen lassen muss. oder eben auch akzeptieren kann, dass ein vermeintlich kleiner grund zu einem großen problem geführt hat, weil es halt doch nicht so klein war - für einen selbst.

      lg
      solaine
      "But isn't that life for us all? Trusting to luck?"
      "You can always try to give luck a helping hand", she said.
      //william boyd//


      Hey,

      ich möchte nur einen Gedanken schnell da lassen, weil ich den sonst - bis ich genug Konzentration für alles zusammen hätte, was ich sagen könnte oder wollte - vielleicht wieder vergessen könnte:

      Du schreibst entweder gibt es einen Grund oder keinen und machst damit erneut eine Entwieder-Oder-Sicht auf. Aber wäre es nicht ebenso denkbar, dass es begründet so ist, wie es ist, der Grund aber eben einfach so komplex (Lebensumstände der Mutter bei der Schwangerschaft, Hormone, Synapsen, scheinbar bedeutungslose Vorkommnisse in der frühsten Kindheit, fortlaufende sich selbst bestätigende Erlebnisse in der Jugend, ... nur um mal eine Auswahl zu nennen, von Mögichkeiten im Leben eines Menschen) ist, dass tatsächlich keine Chance besteht je einen benennbaren Grund herauszuarbeiten, der Dich zufrieden stellen könnte bei dieser Suche?

      Ich betrachte es so, dass kein Verhalten eines Menschen völlig grundlos ist, aber manchmal der menschliche Verstand und das erarbeitete Wissen über Funktionsweisen von Körper und Psyche einfach zum gegebenen Zeitpunkt nicht ausreichen, um hinreichend zu erklären, wie diese Dinge alle miteinander zusammenhängen. Wobei ich damit nicht zum Ausdruck bringen möchte, dass man sich darüber keine Gedanken machen sollte, sondern eher die Frage in den Raum stellen, welche Gedanken man sich überhaupt machen kann.

      Mein eigenes Chaos sah lange Zeit sehr ähnlich aus und sieht auch immer noch mal für mich so aus, als wäre alles grundlos und eingebildet. Aber den größten Teil der Zeit habe ich mich damit abgefunden, dass ein vollständiges Ergründen dessen, was da vielleicht mal falsch gelaufen ist, einfach nicht gelingen kann. Ich kann Sachen benennen, denen ich für sich genommen aber niemals eine größere Bedeutung zumessen würde um das "rechtzufertigen" was es ausgelöst haben soll. Nur sind die Prozesse die darunter ablaufen eben unbewusste Prozesse, die einfach nicht so schnell greifbar gemacht werden können. Um alles restlos zu verstehen, müsste ich vermutlich mehr Zeit aufwenden, als ich bereit bin von meinem Leben dafür herzugeben. Das ist so eine Erkenntnis, die ich auch nicht sehr leicht zu schlucken finde, aber es hilft mir meine eigene Hinterfragerei mal zu stoppen, wenn sie wieder so groß wird. Ich finde es gut und richtig sich darüber Gedanken zu machen, aber wenn es so große Zweifel werden, dann ist das ungesund und dann wäre es wohl besser, wenn man sich einfach erstmal ein Stoppschild hinhält, denn so wird man nicht weiterkommen. Meiner Erfahrung nach ist es ein ganz schwieriger Spagat zwischen beurteilen, radikal akzeptieren und auch mal ignorieren. Am deutlichsten wird es, wenn ich mir bewusst mache, dass genau solche Gedankengänge eines der Probleme sind, die irgendwann entstanden sind. Es ist ein Verhaltensmuster von mir mich selbst so weit in Frage zu stellen, dass ich befürchte meine eigenen Handlungen/Gedanken könnten erlogen sein. Das ist nicht die Folge meines Verhaltens sondern quasi symptomatisch und führt daher zu keinem sehr sinnigen Ergebnis. Was wieder bei dem Punkt ansetzt: Besteht überhaupt die Möglichkeit eine zufriedenstellende Antwort zu finden, wenn der "Grund" vielleicht einfach "nur das alles" ist, das komplexe Zusammenspiel aus physiologischen und psychologischen Bedingungen und Lebensumständen?

      Ähm... ich weiß jetzt nicht, ob das so nachvollziehbar ist, aber ich schicke es trotzdem mal so ab, vielleicht kannst Du ja etwas damit anfangen.
      @just_me86
      Danke für dein Verständnis. Besonders der Satz, dass eigentlich jeder zweite Mensch mit N*rben rumlaufen müsste, triftt ziemlich gut, was ich denke.

      @solaine
      Danke dir für deine ausführliche Antwort. Ich glaube, ich verstehe nun wesentlich besser, was du meinst. Und ich kann jetzt auch eher zustimmen.
      Ich kann da jetzt gar nicht so viel dazu sagen, weil mir im Moment wirklich nichts einfällt. Ich hoffe, es ist für dich ok, wenn ich das so stehen lasse. Aber eines vielleicht noch:

      solaine schrieb:

      warum immer diese wertung? du hast das gemacht. ist so. danach erschien es dir falsch. aber du hattest gründe das so zu machen, und wenn es nicht gut für dich war ist es umso besser, wenn du es heute anders machen würdest. ja, und manchmal hat man auch gründe, die vielleicht nicht so clever sind, oder gar keine und macht dinge trotzdem. auch hier kann achtsamkeit helfen, nicht werten, sondern wahr- und annehmen. und irgendwann wird man dann sich selbst gegenüber etwas gnädiger und sagt "hab ich halt damals gemacht. würde ich heute nicht mehr so machen." anstatt "was ich alles falsch gemacht habe."
      Das ist ein guter Gedanke, ich werde versuchen, mir das öfter vor Augen zu halten. Vielleicht gehen dann auch ein bisschen die Schuldgefühle weg.

      @klirr
      Auch dir vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast. Ich habe jetzt eine Weile rumüberlegt und würde gerne auch deine Antwort so stehen lassen. Nicht, weil sie nichts in mir bewegen würde, sondern im Gegenteil, weil sie Dinge anstößt, die ich gerade aber noch nicht benennen kann und wofür mir einfach auch im Moment Worte fehlen. Liegt vielleicht auch an den ganzen Prüfungen gerade, k.A.

      klirr schrieb:

      Meiner Erfahrung nach ist es ein ganz schwieriger Spagat zwischen beurteilen, radikal akzeptieren und auch mal ignorieren.
      Ja, das trifft es ziemlich gut. Was muss man wie stark akzeptieren, was nicht, was soll man ignorieren, was lieber nicht... Übung macht den Meister?

      Danke euch allen nochmal, tut mir Leid, dass ich keine qualifiziertern Antworten auf eure Mühen geben kann, aber ich habe viel aufgenommen und werde den Thread im Abstand von einigen Wochen sicher nochmal durchlesen.

      Liebe Grüße,
      Fylgja.