Einordnen von Emotionen

      Einordnen von Emotionen

      Hallo.

      Ich habe zuweilen ein kleines (eher grundlegendes) Problem damit Gefühle korrekt einzuordnen, besonders dann, wenn sie mit Problemsituationen zu tun haben. Das simpelste Beispiel, das ich geben kann:
      Eine Situation, die einen Überfordert tritt auf und man ist kurz davor, dass einem die Tränen in die Augen kommen, innerlich kämpft es. Da kommt bei mir irgendwann der Punkt: kämpfe ich gegen die Tränen (und also einen größeren Gefühlsausbruch) oder provoziere ich ihn etwa?

      Ich kann es nicht bestimmen. Ich kann nicht bestimmen, ob ich mich gegen etwas wehre oder etwas provoziere. Mag es sich um Tränen handeln oder Gefühle, die andere Verhaltensweisen nach sich ziehen. Die Gefühle an sich kann ich wahrscheinlich zumeist auch noch benennen, wenn sie denn so stark sind, dass ich sie tatsächlich spüre. Meistens sind sie hinter einer Tür versteckt und ich weiß nur, dass sie groß, sehr groß sind, aber sie kommen nicht hervor. Nur weiß ich nicht, ob ich an der Tür rüttel und sie auf bekommen WILL, oder ob ich verzweifelt immer mehr davor stapel, damit sie bloß nicht und niemals aufgeht. (Manchmal habe ich den Gedanken, dass ich beides gleichzeitig mache, weil es sich so zerrissen anfühlt.) Alles in allem ist man danach sehr erschöpft und hat sich keinen Milimeter bewegt.

      Ich weiß nicht, ob jemand etwas damit anfangen oder etwas dazu sagen kann - ich wollte es wenigstens versucht haben, weil es sich gerade so aufgedrängt hat in meinem Kopf und weil ich wenigstens etwas mal wieder produktiv lösen wollte. Zumindest die Anspannung legt sich etwas.
      Es tut mir leid, dass es keine konkrete Fragestellung gibt, ich mag eigentlich gar nicht wirklich fragen, ob jemand etwas zum Umgang damit weiß, denn irgendwie wirkt es so, als wäre es eben nunmal so und ich müsse damit leben. Im Moment raubt es wirklich viel Kraft und ich hab einfach die Hoffnung, dass ich doch etwas übersehen habe bisher und jemandem was dazu einfällt. Sei es bloß, wie ich diesen Zwiespalt besser annehmen kann, damit er mich nicht so mitnimmt.

      Gruß,
      klirr
      Hallo,
      ich danke dir für diesen Beitrag. Hab gemerkt dass es bei mir oft genauso ist und ich mir dieses Gefühl nie erklären konnte, nie in Worte oder klare Gedanken fassen konnte.
      Ich könnte mir vorstellen, dass es hilft, sich einen ruhigen Moment zu suchen und da ganz bewusst die Tür zu öffnen, sich zwingen, sich nicht mehr gegen die Gefühle zu wehren - denn sonst wird es irgendwann zu viel. Ich werde das auf jeden Fall mal versuchen...
      Hoffe das hilft dir wenigstens irgendwie.
      Gruß
      Vaikka askeleeni ovat raskaat – ja kaikki mitätöntä
      Vaikka lukemattomat ovat arpeni – silti jatkan...
      +totalselfhatred+

      RE: Einordnen von Emotionen

      klirr schrieb:

      Hallo.

      Ich habe zuweilen ein kleines (eher grundlegendes) Problem damit Gefühle korrekt einzuordnen, besonders dann, wenn sie mit Problemsituationen zu tun haben. Das simpelste Beispiel, das ich geben kann:
      Eine Situation, die einen Überfordert tritt auf und man ist kurz davor, dass einem die Tränen in die Augen kommen, innerlich kämpft es. Da kommt bei mir irgendwann der Punkt: kämpfe ich gegen die Tränen (und also einen größeren Gefühlsausbruch) oder provoziere ich ihn etwa?
      Hallo
      ich kenn das sehr sehr gut. Mir geht es oft genauso. Ich stand vor kurzem im Job Center und der Beamte da war meiner Meinung nicht gerade nett zu mir. Und ich stand da und völlig überfordert mit dem was er von mir dann wollte und den Tränen nah. Wenn mein Freund und die Kids nicht dabei gewesen wären htt ich sicherlich geheult. Aber das Gefühl kommt einfach in gewissen Situationen. Das kann ich nicht genau sagen wann. Aber ich versuch es dann so gut ich kann zu ubterdrücken um es anderen nicht zu zeigen. Leider nicht mit grad viel Erfolg.
      Eine Lösung dafür hah ich selbst auch noch nicht dafür gefunden. Aber ich hoffe das kommt noch.
      Ich würde am liebsten dann immer einfach wegrennen und da nie mehr auftauchen. Einfach nach Hause und verkriechen. Und endlich weinen dürfen.
      Gruß Ella
      Ich hab mich seit 20. JUli 2007 nicht mehr v*rl*tzt :love:
      Hey,

      ich kenne solche Situationen glaube ich auch. Manchmal sitze ich im Unterricht und merke, dass ich anfangen muss zu heulen. Das ist ja eigentlich ein ganz klarer Hinweis, dass ich traurig bin und irgendwas für mich nicht okay ist. Für mich ist das eine Möglichkeit, zu sagen, ich kann jetzt aus dem Unterricht rausgehen. Ich weiß nicht, ob ich sonst auch heulen würde. Die Traurigkeit ist da, auf jeden Fall. Ich habe mich nur schon des öfteren gefragt, ob ich das Weinen nicht provoziere, um mir selbst gegenüber eingestehen zu können, dass ich jetzt raus gehen MUSS.
      Unterdrücken endet bei mir in einer Panikattacke.. Das alles ist derzeit noch so mein größtes Problem, kann also nicht viel zum Umgang dazu beitragen. :/

      Liebe Grüße,
      a.malia
      He said I don’t know what you’re living for at all
      But I will run until my feet no longer run no more
      And I will kiss until my lips no longer feel no more
      And I will love until my heart it aches
      And I will love until my heart it breaks
      And I will love until there's nothing more to live for.
      Hallo klirr,

      es klingt für mich danach, als ob du so gar kein Vertrauen hast in dich und deine eigene Regulationsfähigkeit von Gefühlen, oder? So als ob es bei dir die Erwartung gäbe, dass du, wenn du die Türe auch nur einen Spalt öffnest, mit etwas konfrontiert bist, was du nicht mehr kontrollieren kannst und dir komplett und dauerhaft den Boden unter den Füssen wegzieht, eine regelrechte Katastrophe also. Dass es dann für dich wichtig ist, die Türe zuzuhalten, ist verständlich, und so eine Erwartung kann sehr viel "Macht" haben. Dass dadurch aber "Druck" entseht, den man loswerden will, ist auch nachvollziehbar. Hoffe, ich habe dich da richtig verstanden.

      Ich kenne es von mir auch, dieses nicht hinsehen wollen aus Angst, dass es viel zuviel und unaushaltbar wäre, und gleichzeitig der Wunsch, dass es doch endlich herauskommt und ich es loslassen könnte. Oft geht es dabei bei mir um (psychischen) Schmerz, Trauer und Angst, entweder mit aktuellen oder mit vergangenen Dinge in Verbindung stehend. Mittlerweile habe ich die Erfahrung gemacht (mit Hilfe der Therapie und der Dinge, die ich dort gelernt habe), dass es nie so schlimm wird, wie befürchtet, wenn ich es schaffe auf den "Rhythmus" (weiß kein besseres Wort) meiner Gefühle zu vertrauen und darauf, dass mein Ich heute das ertragen wird und ich nicht mehr alleine bin damit, so wie früher. Und dass dann die Emotionen dosiert kommen bzw. in kleinen Häppchen, die man auch verdauen kann. Die Hefigkeit der Gefühle steigt dann zwar kurzzeitig an, wenn ich aber schaffe, die so anzunehmen und mir zu vertrauen, dann nimmt das wieder ab, das ist wie so ein Spannungsbogen. Ich bin dann hinterher oft erleichtert.

      Ich weiß aber auch, dass man das kaum bewußt herbeizwingen kann. Und dass es eben andererseits Situationen gibt, wo es "dran" wäre, die Gefühle da sein zu lassen, es aber nicht möglich ist. Schlechtes Timing dann also. Aber wenn es passt und "ansteht", dann war es bis jetzt immer besser, das auch da sein zu lassen und nicht weg zu drücken und damit daran fest zu halten. Vielleicht passt da der Vergleich, dass es sich aufstaut und ansammelt, wenn man es nur zurückhält und es besser ist man lässt es (weg)fließen.

      Hast du denn jemals die Erfahrung gemacht, dass es entweder "schädlich" war, wenn die Tür aufgemacht wurde, oder dass es andererseits sogar erleichternd und hilfreich war?

      ( PS.: Was hast du denn genau für eine Befürchtung, was passiert, wenn du die Türe aufmachst bzw. was wäre das Schlimme daran, wenn du die Tränen provozierst?)

      Viel Kraft dir und Mut und Vertrauen in dich!
      M.

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „mistral“ ()

      kann es nicht einfach sein, dass du beides tust?
      also einerseits evtl. provozierst, dass diese tür aufgeht und andererseits aber alles tust, damit sie zu bleibt, evtl. aus angst, was dahinter noch alles ist?

      ich weiß nicht, ob das auf dich zutrifft, aber für mich hätte so eine situation viel mit kontrolle zu tun.
      einerseits will man wissen was da ist und was passiert, wenn man diese tür aufmacht, weil man sonst die kontrolle nicht haben kann für das, was dahinter ist und andererseits ist die angst vor einem kontrollverlust so unendlich groß.

      was erhoffst du dir, wenn du die tür aufmachst? ist es belastend zu wissen, dass die gefühle irgendwie hinter etwas verschlossen sind? also, ist es für dich wichtig, an genau diese gefühle ranzukommen?
      weil irgendwann sollte man das dann einfach riskieren, sich festlegen und dann nicht ständig umentscheiden. manchmal wägt man zu viel ab, was dann auch nicht gut ist.


      lg
      die sonne die sterne tragen kunde von dir,
      jeder lufthauch erzählt mir von dir.
      jeder atemzug, jeder schritt
      trägt deinen namen weit mit sich mit....

      (schandmaul - dein anblick)
      Ich möchte euch für eure Antworten danken. Ich werde nicht auf alles im Detail eingehen, aber einige Dinge sind sehr gut bei mir angekommen.
      Es ist unglaublich schwer mich darauf zu konzentrieren.

      Ich glaube kein Vertrauen in das Regulieren der Gefühle stimmt absolut. Es ist ein automatisierter Mechanismus geworden - es landet vieles, das meiste einfach erstmal dahinter und dann bleibt es da eigentlich auch.
      Kontrolle ist für mich auch ein ganz wichtiges Wort. Ich muss ohnehin wissen wann was gemacht wird und muss auch bei körperlichem Kontakt oft die Kontrolle haben um mich entspannen zu können.

      Hast du denn jemals die Erfahrung gemacht, dass es entweder "schädlich" war, wenn die Tür aufgemacht wurde, oder dass es andererseits sogar erleichternd und hilfreich war?
      Es ist beides. Aber ich kriege die Tür ohne destruktive Verhaltensweisen nicht geöffnet. Denn dazu bräuchte ich Beherrschung, die ich dann einfach nicht habe.
      was wäre das Schlimme daran, wenn du die Tränen provozierst?
      Das hängt mit der uralten Angst zusammen zu lügen. Dann kommt der Monster-im-Schrank-Gedanke: vielleicht zeige ich ja nur auf den Schrank und behaupte da sei ein Monster drin. Letztlich ist es eine Maus, die mehr Angst hat als ich.
      Aber ich weiß ja, dass es anders passieren kann, dass es wirklich schädlich wäre, würde ich das zulassen, was da ist.
      Vielleicht ist es über die Jahre ja der böse Zwilling geworden - die Verhaltensweisen, die man unterdrückt.
      Man lebt gut, man lebt konstruktiv, man lebt nur halb.
      ist es belastend zu wissen, dass die gefühle irgendwie hinter etwas verschlossen sind? also, ist es für dich wichtig, an genau diese gefühle ranzukommen?
      Dementsprechend ist es belastend, ja. Es fehlt ein Teil. Und es wäre für mich wichtig überhaupt an Gefühle heran zu kommen. Sie werden noch vorher abgefiltert. Im Moment gibt es eine Situation zu der ich Gefühle haben SOLLTE, aber es ist nichtmal wirklich Wut da. Ich habe es schon zwei Mal knapp jemandem erzählt, aber das waren 3 Minuten. Und die Gefühle die dazu gehören sind welche, die sich in 20 Jahren angesammelt haben. Es sollte mehr sein. Ich merke davon aber nichts. Stattdessen Taubheit und Funktionalität.
      Früher wäre ich einfach ausgeflippt, hätte mich in sämtlichen destruktiven Mustern aufgelöst. Aber jetzt ist das nicht mehr möglich - zum Glück - aber auch anderes nicht. In dieser Hinsicht existiert wohl wirklich das schwarz-weiß.

      Ich merke gerade, dass ich mir fast widerspreche. Aber es kommt wohl darauf an, um was es geht.
      Wenn es um bestimmte Situationen geht, um etwas ganz konkretes, dann weiß ich was da ist und ich weiß was passieren würde und das darf es aber nicht, da ich ein funktionierendes Leben habe.
      Wenn es um "das Leben" im großen und ganzen geht, um mein Leben. Dann ist dahinter ein großes Fragezeichen, ein etwas von dem ich hoffe, dass es nicht ein Nichts ist und ein etwas, vor dem ich mich fürchte, weil es ein ganz großes Alles sein könnte.
      Ich will nicht Lügen und ich will mich nicht zerstören. Hinter der Tür gibt es beide Optionen - rein theoretisch. Ein bisschen wie Schrödingers Katze.

      Danke für eure Denkanstöße.
      klirr
      Hallo Klirr,

      in geschützter Umgebung und unter fachkundiger Anleitung wäre es möglich, dass du gezielt in solche Situationen reingehst, um zu schauen, was es bei dir macht. Mit Hilfe der anleitenden Person kannst du dann vielleicht auch schauen, was "Klirr" an Kompetenzen zusätzlich benötigt, um die Sitautionen nach ihrer Meinung angemessen zu erleben. Dies würde dir auch ermöglichen, den Gefühlsstau, den du(wie ich vermute) durch das Wegdrücken immer mehr vergrösserst, wieder stückweise abzubauen.
      Wenn der normale Abfluss einer Regentonne verstopft ist oder zugehalten wird, so läuft das Fass irgendwann über. Mit dem Effekt, dass die dann folgenden Emotionen weit über die der Situation angemessenen Stufe hinausgehen. Solche Überläufe treffen dann die Umwelt in einem Maß, welches selten verstanden wird.
      Und noch eins: auch heftige Emitionen haben in gewissen Situationen ihre absolute Berechtigung und sind im Grundsatz gut. Es bleibt eine mögliche Aufgabe für dich, die Qulität deiner Emitionen mit den Situationen abzugleichen. Hier könnte ebenfalls ein entsprechendes Feedback von einer Fachperson sehr hilfreich sein.

      lg Elfenspiegel
      Hallo Elfenspiegel,

      ich stimme dir zu, dass es natürlich eine ganz feine Sache wäre, würde sich da in so einem Rahmen drum gekümmert werden. Aber wie meine Psychiaterin zu mir sagte "Sie brauchen keine Therapie um zu überleben." Und aktuell stelle ich mir also die Frage, ob ich diese "Schönheitskorrektur" genau jetzt brauche.
      Es ist zwar so, dass eine instabile Phase besteht, die aber keineswegs so instabil ist, als dass ich da dringend fachkundige Hilfe bräuchte. Es gab wesentlich heftigere Phasen, die ich so oder so überstanden habe. Und für das, was aktuell noch im Hintergrund passiert, schlage ich mich sehr gut.

      Interessanter wäre es einen geschützten Rahmen selbst aufzubauen, es zu schaffen, dass ich so etwas - wenigstens das, was aktuell ansteht - annehmen zu können. Ich muss ja nicht gleich alles öffnen. Auch wenn das vielleicht das war, was ich meinte, als ich den Thread eröffnete. In schwachen Momenten denkt man, es wird nur besser, wenn man alles zugleich macht - wie befreiend. Dann schleicht man um die Sicherung herum, die vielleicht alles öffnen könnte.
      Aber das ist eigentlich - jetzt nicht - mein Anspruch. Es sollte nur vielleicht nicht weiter anwachsen.

      Und das ist etwas, was man vielleicht auch noch mit sich selbst ausmachen kann. Ich frage mich nur wie. Gefühlsregulation funktioniert nur dann wirklich, wenn zugleich etwas destruktives eingesetzt wird. Es wäre natürlich schön das auch ohne dem zu schaffen. Dann hätte ich wenigstens die Chance zu sagen: dies ist Wut, dies ist Trauer, dies ist Enttäuschung, dies ist v*rl*tzt sein, dies ist... was auch immer.

      Ich denke weiter darüber nach. Ich denke auch an der Sache herum, um die es geht. Aber welche Worte ich auch nutze - es bleiben Worte, die nur Hülsen sind und das, was an Gefühlen da sein sollte, ist einfach nicht da.

      Gruß,
      klirr