Innenkind verzweifelt bei Studiumsstress

      Innenkind verzweifelt bei Studiumsstress

      Hallo Fories,

      ich war schon lange nicht mehr hier. Im Moment geht es mir eigentlich wahnsinnig gut. Ich habe nach eineinhalb Jahren meist wohltuender Freizeit und Praktika einen Studienplatz nicht zu weit weg, nicht zu nah dran von meiner Familie bekommen. Ich habe diesen Studienplatz auch noch in dem Fach bekommen, von dem ich die letzten Jahre schon geträumt habe (Humanmedizin), und das Studium macht mir bisher auch wahnsinnig Spaß, ich gehe sogar gerne in die Physikvorlesungen ;)

      Im Moment kriege ich aber mehr und mehr Stress. Das kann ich, wenn man so will: eher mein Innenkind, gar nicht ab. Ich wache manchmal sehr verkrampft auf, wie heute morgen, und fange fast unmittelbar schon an zu weinen, kann abends schlecht einschlafen, kann es gar nicht genug trösten. Es ist zermürbend. Ich will nicht, dass es mir am Ende noch den Spaß an der Medizin verdirbt, dass ein kleiner Teil von mir immer anfängt zu schreien, wenn ich mal zwei Stunden zu wenig geschlafen habe oder mal zwei Tage hintereinander nicht die letzten Stunden vor dem Einschlafen mit mir selbst verbracht habe. Schreien meine ich übrigens wörtlich. Es ist schlimmer, als wenn ein kleines Kind mir direkt ins Ohr schreien würde. Ich weiß nicht, wie ich es irgendwie "stressfester" machen kann.

      Habt ihr da eine Idee? Es soll einfach nur verstehen, dass alles gut ist, auch, wenn ich gerade viel zu tun habe, zu wenig geschlafen habe, mein Stresslevel erhöht ist.

      Trösten ist ja schön und gut und das funktioniert im Normalbetrieb ja auch. Nur jetzt schreibe ich eine Anatomieklausur im Dezember, bis dahin werde ich eben nicht mehr auf Normalbetrieb laufen. Und danach wird es für den Rest meines Studiums immer wieder solche Phasen geben.

      Um der obligatorischen Frage vorzugreifen: Nein, ich bin nicht mehr in Therapie, und die, die ich mal gemacht habe, hatte von der Thematik leider kaum was beinhaltet, die war damals hauptsächlich auf SvV und ES aus.

      Ich freue mich über alle Antworten, ich denke, ich brauche Input und Tipps von egal welcher Seite.

      Liebe Grüße und danke im Voraus,

      schlehe
      Liebe schlehe
      herzlichen Glückwunsch zum Studienplatz!
      mir kam der Gedanke beim Lesen: ich glaube man muss in solchen Situationen lernen (und dem inneren Kind beibringen), dass das JETZT nicht mehr schlimm ist, wenn man weniger schläft oder Stress hat. Zumindest nicht schlimm im Sinne von lebensbedrolich.
      das Gefühl, die Körperempfindung die ähneln vielleicht denen von damals und das triggert es dann an, so kenne ich es. Trotzdem haben sie nichts mit möglichen Traumata oder ähnlichem zutun sondern sind völlig normale Reaktion auf eine ungewöhnliche Belastung.
      Das Kind muss nicht stressfester werden, meine Meinung, du musst stressfester werden. dem Kind steht es zu, nicht stressfest zu sein, aber es muss akzeptieren und lernen, dass du es heute bist. Es muss dir vertrauen lernen, dass du das managst und es zeitgleich schaffst das Kind zuverlässig zu schützen. Das Kind hat im Studium nichts zu suchen, denn es ist ein Kind. Gleichzeitig aber finde ich darf es deswegen auch sich nicht für den Stress verantwortlich fühlen, das ist der Part des Erwachsenen.

      Ja, es wird in deinem Studium immer wieder und häufig solche Phasen geben, und nicht zu vergessen: der Job der am Ende auf dich wartet der (ohne Angst machen zu wollen) ist erfüllend aber er verlangt auch absolute Stressresistenz, Umgang mit Schlafmangel, ständiges Agieren auf nicht planbare Ereignisse. das hat seinen Reiz und kann viel Spaß machen, es kann einen aber auch zermürben wenn man nicht mit seinem Stress umgehen kann.

      Deswegen ein Rat den du dir vielleicht schon gedacht hast: nutz die zeit des Studiums dazu, dich in Behandlung zu begeben. Als Student kann man sich noch gut Hilfe holen, ist flexibler in Zeiten. Kann sich Auszeiten nehmen und es interessiert hinterher nicht im Lebenslauf und du kannst parallel zum Studium lernen und üben, wie du mit solchen Situationen umgehst. Nur ein Vorschlag ;)

      Und noch was: so wie es dir ergeht so ergeht es glaube ich leider vielen Medizinstudenten v.a. am Anfang. Leider nichts unnormales. Jeder findet seinen Umgang damit. Aber wenn man eh schon vorbelastet ist, dann ist es vielleicht manchmal schwerer.

      Ich wünsche dir ganz viel Kraft!
      Herzliche grüße!
      Hey!

      Was mir während des Studiums geholfen hat war folgendes: Man hat ja normaleweise mehr als nur die ganz Kleine und das jetzige ich, sondern man kann ja auf sich selbst in mehreren Altersstufen "zurückgreifen". Ich habe es dann in so stressigen Phasen so gemacht, dass ich für mich und die Kleine visualisiert habe, dass eine Teenager- frontière, eine so um die 15, "Babysittet", sich also mit ihr beschäftigt, mit ihr spielt, sie versorgt, während ich außen gut arbeiten und mich konzentrieren konnte, nur ab und zu in ner 5 Minuten Pause "vorbeigeschaut" habe, ob bei ihnen alles OK ist.

      Am Anfang ist das wahnsinnig anstrengend und es klappt bei weitem nicht immer so gut, wie oben beschrieben - das ist der Idealzustand. Aber mir hat es sehr geholfen =)

      Ich hoffe, das bringt dich vielleicht ein bisschen weiter =)

      Viele Grüße!
      Is this real? Or has this been happening inside my head?
      Of course it is happening inside your head, Harry, but why on earth should that mean that it is not real?

      What if its allegiance was always to someone else? Come on, Tom, let's finish this the way we started: TOGETHER!

      Harry Potter and the Deathly Hallows

      Hallo ihr beiden!

      Tut mir Leid, dass ich mit der Antwort auf mich habe warten lassen, ich war die letzten Tage ziemlich beschäftigt und hatte am Wochenende noch dazu Besuch.

      Liebe Graf Zahl, ich mag, was du geschrieben hast - es berührt etwas in mir. Es stimmt. Ich will meinem Innenkind eigentlich zu viel zumuten und eigentlich bin ich diejenige, die stressresistenter sein müsste...
      Ich habe in der vergangen Woche allerdings ausführlich mit meinem inneren Kind erzählt und ihm versucht, verständlich zu machen, wie stark ich bin und mich in stressigen Situationen daran erinnert. Es hatte sehr guten Erfolg, ich bin kein einziges Mal von ihm in einen Strudel unangenehmer Gefühle hineingezogen worden und Freitagmorgen war der erste Freitagmorgen seit langem, an dem ich noch Energie für den Tag übrig hatte. Ich habe sehr stark gemerkt, wie meine Stabilität davon abhängt, dass ich ihm mit Überzeugung vermitteln kann "es ist alles okay".

      Tja, Therapie anfangen. Im Moment würde es sich sicher nicht in meinem Alltag unterbringen lassen - ich hab noch zwei Wochen zur Anatomieabschlussklausur - für das Frühjahr vielleicht. Im Moment weiß ich nicht genau, ob ich das will. Klar, ich hab die beschriebenen Probleme und noch ein paar mehr, aber manchmal denke ich doch, dass ich das lieber so regle, wie ich es im Moment kann, und das Herumstochern sein lasse...

      Liebe frontière , deine Idee ist echt gut. Bei mir ist es so, dass ich bisher noch keine anderen Innenkinder als ganz ganz kleine gespürt habe. Dein Tipp erinnert mich allerdings an zwei meiner inneren Beschützer, die ich mir mal ausgedacht habe, die können ja auch genauso gut auf Innenkinder aufpassen :) ich habe letze Woche mal wieder zu ihnen "Kontakt aufgenommen". Sie springen jetzt für mich in die Bresche, sollte ich gerade keine Energie mehr dafür haben, abends beim Nachhausefahren vielleicht.

      Viele Grüße und danke für eure Antworten,

      Schlehe
      Hallo,

      schlehe schrieb:


      Tja, Therapie anfangen. Im Moment würde es sich sicher nicht in meinem Alltag unterbringen lassen - ich hab noch zwei Wochen zur Anatomieabschlussklausur - für das Frühjahr vielleicht. Im Moment weiß ich nicht genau, ob ich das will. Klar, ich hab die beschriebenen Probleme und noch ein paar mehr, aber manchmal denke ich doch, dass ich das lieber so regle, wie ich es im Moment kann, und das Herumstochern sein lasse...


      ich würde Dir empfehlen bis nach der Klausur zu warten, Dir Erholung zu gönnen und dann nach einem Therapieplatz zu suchen - wenn Du einen möchtest - und nicht bis ins Frühjahr zu warten. Zum einen kann es sein, dass man jemanden findet, bei dem man gerne in Therapie gehen würde, der aber eine unendlich lang scheinende Warteliste hat. Daher kann man eigentlich nur jedem, der in Therapie will, raten sich jetzt darum zu kümmern, statt es weiter aufzuschieben als vllt. nötig.
      Der andere Punkt ist, dass man ja nicht gleich mit dem "Herumstochern" beginnen muss. Das kannst Du auch ganz klar sagen, dass Du Dich dazu nicht ganz bereit fühlst, aber aktuell auch Unterstützung brauchst und das kann ja erstmal auf der Oberfläche, am Alltag ansetzen. Du kannst Deine Therapie (mit)gestalten und es muss nicht tiefer gehen, als Du möchtest/kannst. Das kann durchaus auch heissen, dass erstmal am Alltagsmanagement angesetzt wird, dass Du schauen kannst, wie Du mit Stress u.a. umgehen kannst.

      Wie gesagt, bring erstmal die Klausur hinter Dich, atme durch und dann kannst Du Dir ja mal Gedanken machen, was Du von einer Therapie bekommen könntest, was Dich weiterbringen würde und überlegen, ob es nicht sinnig ist, doch schon nach einem Platz zu suchen.

      Alles Gute für die Klausur,
      klirr